http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0777
Vogl: Vier Sitzungen bei Frau Silbert in Graz
719
nehmen und sich zu verlieren. Noch ein Experiment wurde angestellt. Auf
ein Blatt Papier wurde mit Bleistift ein Pentagramm gezeichnet. Ich halte das
Blatt einigemal rasch unter die Tischplatte und spüre jedesmal ein Etwas, wie ein©
Hundepfote danach schlagen, als ob mir das Papier weggenommen oder aus der
fland geschlagen werden sollte. Bisweilen trifft das rauhe, derbe Etwas meine Hand.
Einmal sind es zwei Organe, wie große Finger, die weit auseinander zangenartig
nach dem Papier greifen und dabei meine Hand streifen.
Ein anderer Versuch bestand darin, daß ich dem mir zur Linken sitzenden
Medium quer über die Tischecke die Hand reiche (meine linke ihre rechte),
während wir mit der freien Hand auf Kommando „Eins Zwei Drei" rasch unter
den Tisch greifen, um uns dort die Hände zu reichen. Fast jedesmal schob
sich zwischen unsere Hände etwas Handartiges, aber so rasch, daß ich eine Gliederung
nicht zu unterscheiden vermochte.
Kleinere Gegenstände, z. B. ein Bleistift mit Metallhülse, eine Armbanduhr
usw., die man aufs Fußkreuz des Tisches legte, verschwanden und kamen entweder
von oben (von der Decke des Zimmers) herab oder sie flogen in einem
Bogen über die rechte Schulter des Mediums mitten auf den Tisch. Mein Stuhl
samt mir bewegt sich etwa 20 cm vom Tisch weg, leicht gleitend. Der Tisch
bewegt sich etwa 3o cm zu mir hin und auf "Wunsch wieder zurück. Man
versucht den Tisch zu heben, er ist ungewöhnlich schwer, plötzlich schwebt er
ungefähr 20 cm über dem Boden, dreht sich schwebend einige Grade um seine
Vertikalachse und geht diesmal langsam und geräuschlos wieder nieder. Frau
Silbert fürchtet das plötzliche Fallen des schweren Tisches, da die untenwohnende
Hausmeisterin sich wiederholt beschwert hat. Unter dem Tisch und
um ihn herum ist nichts zu entdecken. Alles bei Tageslicht!
Als es zu dämmern begann, machten sich allerlei huschende Lichterscheinungen
bemerkbar, gleichwie Wetterleuchten, unter dem Tisch hervor, aber
auch vom Medium weit entfernt in den Zimmerecken, an meinem rechten
Arm, wobei ich eine Berührung verspürte. Es wurde eine elektrische Hängelampe
angezündet, doch auf allgemeinen Wunsch bald wieder (mittels Rheo-
statsj gedämpft, bzw. ganz gelöscht. Frau Silbert liebt die Dunkelheit nicht,
weil sie dann leicht in Trance gerät und nicht weiß, was sie tut» aber auch,
weil sie keinerlei Bedenken aufkommen lassen möchte bezüglich der Echtheit
der Phänomene. Zum Studium der Lichterscheinungen ist indessen Dunkelheit
nötig. Immerhin war es — dank der Lichter im Nachbar hause über zwei
schmale Gärtchen hinweg1 — im Zimmer so hell, daß man die einzelnen Personen
und ihre Bewegungen gut unterscheiden konnte. Im allgemeinen fiel
von außen mehr Licht ins Zimmer als ich gewünscht hätte. Da mir keinerlei
Verhal lungsmaßregeln vorgeschrieben waren, so machte ich von meiner Freiheit
unbeschränkten Gebrauch und ging überall dorthin, wo ich es für wünschenswert
hielt zur genauen Beobachtung der Dinge, die sich da abspielten.
Bald geriet Frau Silbert tatsächlich in Trance: Gähnen, Schlucken, tiefes
Atmen, Gemurmel einzelner Worte, Schlaf. Die Anwesenden behaupteten, in
*) Frau Silbert wohnt im Hochparterre eines neuen Mietshauses.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1930/0777