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Freudenberg: Eine improvisierte Sitzung mit dem Medium Karl Löwen 733
76. Lebensjahre glaubt er, daß sich noch vieles Ueberraschende aus ihm herausholen
ließe. „Der Brunnen", sagt er, „ist noch nicht versiegt." — Bemerkenswert
ist, daß, je mehr sich seine Konzentration auf das Ilaftenmachen
und Bewegen toter Gegenstände richtet, desto mehr seine Suggestivkraft gegenüber
Personen nachläßt.
Zur Erzielung der den Gesetzen der Schwerkraft geradezu ins Gesicht
schlagenden Erscheinungen bedarf es bei K. L. einer zwei Minuten langen
Konzentration. Vor den einzelnen späteren Experimenten bedarf es alsdann
noch gelegentlicher Verstärkungen. Besondere Beihilfe verschafft ihm, wenn
es sich um Arbeiten mit Schwergewichten handelt, das senkrechte Ausstrecken
der beiden Arme beim Konzentrieren. Bei der Konzentration gerät K. L.,
wie aus der nachsiehenden Schilderung hervorgehen dürfte, in eine leichte
Trance. Bei ihr ist das Bewußtsein nicht völlig aufgehoben, durch die in
Gang gesetzte Autosuggestion jedoch stark eingeengt. Sobald das Medium
die Konzentration weit genug vorgeschritten fühlt, ergreift es den gewünschten
Gegenstand und drückt ihn an die gewählte Stelle, mit Worten wie:
„Messer — hier — festgenagelt — schwingen." Das alles kommt stoßweise,
lallend hervor, je nachdem das oder jenes gewünscht wird. Auch „Fäden —
ziehen — ziehen" — mischt sich wohl in diese Suggestionsbefehle. Während
der Konzentration bietet das Medium durch das krampfhafte Greifen der
Hände nach dem Kopfe und die sich rasch über den ganzen Körper verbreitenden
klonischen Zuckungen das Bild eines Leidenden. Auch macht
K. L. kein Hehl daraus, daß ihn der Vorgang angreife. Andererseits aber
hat er nach glatt verlaufener Ausführung auch das Gefühl einer gewissen Befreiung
. Daß er sich bei der Lebhaftigkeit seines Temperaments vor Ueber-
anstrengung hüten muß, sagt er sich selbst.--
Eingeführt bei Herrn Löwen wurde ich am 28. September durch Herrn
Postbeamten Franz Eiselt, der schon seit einiger Zeit zu dem Medium in
Beziehung sland. Ich betone hier ausdrücklich, daß Herr Löwen von spiritistischen
oder derartigen Vorstellungen absolut frei ist und in seinen Manifestationen
nichts anderes sieht als das Ergebnis ausdauernder Dressur seiner
Willenskraft.
Vorbereitet auf unseren Besuch, empfing er uns pünktlich um 4 Uhr nachmittags
auf das zuvorkommendste und seine echt natürliche Liebenswürdigkeit
rief zwischen uns bald eine Stimmung hervor, die als eine geradezu vertrauliche
bezeichnet werden darf. So kam es denn auch, daß Herr Löwen, obgleich
mein Besuch doch nur der Anknüpfung einer Bekanntschaft galt,
plötzlich sagte: „loh lasse Sie nicht eher gehen, als bis Sie alles gesehen
haben, was ich zu zeigen habe. Und zwar bei hellem Tageslicht. Daher lassen
Sie uns unverzüglich aufbrechen."
Es war 43A Uhr, als wir das Gastzimmer des Hotels, in dem Herr Löwen
wohnt, verließen und ihm in sein im zweiten Stock liegendes Wohn- und
Schlafzimmer folgten. Da wir gänzlich unvorbereitet keine eigenen Gegenstande
für die Experimente mitgebracht hatten, legte uns L. sein gewohntes
Arbeitsbesteck vor: sieben Löffel, eine Gabel, ein Messer und eine Tischglocke,
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