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754 Zeitschrift für Parapsychologie. 12. Heft. (Dezember 1930)
vor Augen hat, das der berühmte Biologe Dr. Raoul France in der jüngsten
Zeit von ihr gezeichnet hat. Wer ständig um sie lebt, hat nicht das scharfe
Auge für diese Griffelschrift des Alters und des Leidens. D.W.
Finden Sie, daß Herr Hellwig sich richtig verhält?
Der Landgerichtsdirektor im Spiegel der Presse.
Bekanntlich schleppt sich seit Wochen der Prozeß Frenzel durch das Potsdamer
Gerichtsgebäude, und durch die Spalten sämtlicher deutschen Zeitungen.
Unsere Leser werden in ihren heimatlichen Blättern die ablehnende Stellungnahme
fast der gesamten Presse gegen H. kennengelernt haben, insbesondere in
Berlin waren die Blätter sämtlicher Richtungen einmütig gegen den Vorsitzenden
eingestellt, und ließen ihre Abneigung gegen dessen Art, wie er die Zügel führte,
sehr deutlich erkennen. Die (komm.) „Welt am Abend" wie auch das „Tageblatt
" zitierten dabei auch ganze Sätze aus Dr. Kröners Aufsatz.
Von großer Schärfe war ein Leitartikel der „Leipziger Neuesten Nachrichten"
vom 29. Oktober, in dem wir unter der Ueberschrift: „Unmögliche Prozeßführung
" Sätze lasen wie die folgenden: „In eine eigentümliche Lage ist
auch der Vorsitzende des Prozesses geraten, der die seelisch-hemmungslose
Gertrud für eine verfolgte Unschuld zu halten scheint44 ... „Man muß auf Grund
dieser Berichte bekennen, daß der Vorsitzende gegen die Hildegard Frenzel eine
Voreingenommenheit bekundet hat, die seiner Unparteilichkeit
keineswegs zur Ehre gereich t." ... „Hemmungslosigkeit und Unzulänglichkeit
dieses Prozeßverfahrens." ... „Die wortreiche Erklärung, worin
es diesen Beschluß (der Vertagung) bekundet, atmet alles andere als die
Selbstsicherheit, die man Richtern in so heiklen Lagen wünschen
möchte ...
Dann aber sollte man mit diesem unmöglichen Prozeß, der nun
schon so überreichlich lange andauert, so rasch wie möglich zu Ende kommen
..."
Herrn Hellwigs aufgeregtes Toben gegen Hilde Frenzel, die er unter
Verlassung seines Sessels drohend anschrie, war Gegenstand eine Karikatur
im „8-Uhr-Abendblatt". Ob Herr Hellwig, indem er so deutlich seine
Antipathie gegen Hilde F. und seine Sympathie für Gertrud F. bewies, sich wohl
bewußt war, daß er damit einseitig Stellung nahm gegen den angeklagten Amts-
\orsteher F., dessen Schuld oder Nichtschuld in dem langen Verfahren doch
erst erwiesen werden sollte?
Man könnte nach diesen Proben fast meinen, Herr Hellwig habe sich in den
letzten Jahren ein wenig allzusehr als Journalist betäiigt. Es gab ja kaum ein
Gebiet oder eine Tagesfrage, zu der Herr H. nicht Stellung genommen hätte,
sei es nun, daß er, wozu er am wenigsten qualifiziert war, zu einem Thema des
okkultistischen Gebietes, sei es, daß er über das Schundliteraturgesetz oder über
die Glaubwürdigkeit jugendlicher Zeugenaussagen sich vernehmen ließ. In einem
solchen Artikel in einem auswärtigen Blatte bezeichnet er sich übrigens als
Vater von fünf Kindern, was ja vielleicht manches erklärt.
Aber vielleicht ist Herr Hellwig, wenn schon seine richterliche Tätigkeit
de*r Presse Anlaß zu erheblichen Beanstandungen bot, als Redner ein glänzender
Zeitgenosse, an dem man nicht achtlos vorübergehen kann, und dessen zündendes
Wort gewiß stets viel Neues bringt und die — faszinierten — Zuhörer fesselt!?
Hören wir auch darüber noch zwei Stimmen, die uns beachtlich erscheinen.
Die „B.Z. am Mittag" schrieb am 5. November:
Richter Hellwig am Vortragspult.
„Der Angeklagte."
Im Rahmen der juristischen Vorträge in der Lessing-Hochschule sprach
gestern abend der Vorsitzende im Frenzel-Prozeß, Landgerichtsdirektor Dr. Hellwig
, über das Thema: „Der Angeklagte." Wer da geglaubt hatte, es würde eine
Sensation geben, sah sich ebensosehr enttäuscht wie diejenigen Hörer, die eine
lebendige und mitfühlende Schilderung der Angeklagten-Psyche erwarteten. Der
Vortrgende beschränkte sich auf sozusagen „klassische" Beispiele der Kriminal-
Literatur. Von den aktuellen Problemen des Gerichtssaals, die sehr wohl hätten
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