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Kleine Mitteilungen.
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angeschnitten werden körnen, ohne den Frenzel-Prozeß auch nur zu erwähnen,
kein Wort. Herr Dr. Hellwig wirkte am Vortragspult fast so peinlich wie letzthin
auf dem Richterstuhle.
Und der „Berliner Lokal-Anzeiger" nahm zu einem weiteren Vortrag am
7. November in folgender Weise Stellung:
Der ideale Strafrichter.
In der bedeutenden Berliner Oesellschaft für Psychologie und Charakterologie
, die unter Vorsitz des Sanitätsrats Flatau tagte, hielt Landgerichtsdirektor
Hellwig, Potsdam, einen sehr unbedeutenden Vortrag zum Thema Psychologie
des Strafrichters.
Ein ganzer Aktenwagen voll Binsenwahrheiten, mit dem er einherkam. Zum
Beispiel: „Es gibt Strafrichter, die mit ganzem Herzen bei ihrem Beruf sind,
und es gibt solche, die das nicht sind." Solches Wort man natürlich muß lassen
stahn, denn es ist wirklich entwaffnend und nichts dagegen einzuwenden. Hellwig
gab dann einen ausführlichen Bericht über das Leben und den Werdegang
eines Strafrichters, den er der idealsten Gattung zuteilte, den forensisch-psychologischen
Strafrichtern, und dieser ideale Strafrichter hieß--Landgerichtsdirektor
Hellwig-Potsdam. Eine Sache, die zweifellos die Eitelkeit des Vortragenden
erwies und wieder einmal klarstellte, daß Hellwig nicht gerade von
Minderwertigkeitskomplexen erfüllt ist, die aber der Sache, dem Thema selbst
nichts nützte, da nicht nur nach der Meinung von andern, sondern auch nach
dem Urteil von Standeskollegen gerade Herr Hellwig wirklich kein ideales Bei-
spiel für den idealen Strafrichter vorstellt.
Immerhin hätte gerade auch Herr Hellwig interessierende Einblicke in gewisse
Praktiken neuzeitlicher Strafrichter geben können, zum Beispiel solcher,
die Begründungen und Beschlüsse zu Angelegenheiten, die erst am nächsten
Tage im Gerichtssaale verhandelt werden, schon am Vorabend fertigmachen.
Zum Beispiel hätte gerade Herr Hellwig über das sehr lohnende Thema „Strafrichter
und Takt" sich äußern können, daß zum Beispiel ein Strafrichter, der
gerade einen Blutschandeprozeß führen will, nicht gut daran tut, noch kurz
vorher, und zwar nicht in einem wissenschaftlichen Fachblatt, gleichsam zur
Premiere einen Artikel über Blutschande mit knalliger Ueberschrift und sehr unerquicklichem
Inhalt zu schreiben.
Herr Hellwig sprach über sich, den forensisch-psychologischen Strafrichter.
Forensisch kommt von forum. Was heißt forum aut deutsch? Platz der
Gerichtsbarkeit, aber auch Platz und Markt der Erwerbstüchtigkeit und Eitelkeiten
. " j
Es gibt Strafrichter in heutiger Zeit, deren Psychologie, von der Zeit beeinflußt
, so eingestellt ist, daß sie manchmal, aus mangelndem Takt, zwischen diesen
einzelnen Bedeutungen nicht so unterscheiden, wie das für das Ansehen des hohen
Strafrichterstandes nützlich und eigentlich unerläßlich wäre. A. Ka.
Soweit der „Lokal-Anzeiger", diese Malefizpresse. S.
Fachliteratur des Auslandes.
Journal of the Society for Psychical Research. Bd. 25. 1929. 186 Seiten.
Das Januarheft enthält einen kurzen Bericht über ein Referat Dr. Wool-
leys, betreffend die Sitzungen, die vier Vertreter der SPR. im September 1928
mit Willi und Rudi Schneider in Baron Schrenck-Notzings Münchener Laboratorium
hatten. Die Ergebnisse waren sehr bescheiden; nur Willi bot beachtenswerte
Phänomene. Ein Bericht über spontanes Hellsehen im Raum (ein Herr
A. David sieht die ihm angeblich unbekannten Wohnungen von zwei seiner Bekannten
) ist wissenschaftlich wertlos, da er völlig auf der Vertrauenswürdigkeit
eines Menschen, eben des Herrn David beruht. Es folgt der Jahresbericht
über die Tätigkeit der Gesellschaft im Jahre 1928; leider konnten hiernach keine
bedeutsamen Ergebnisse erzielt werden, wenn auch manche interessanten Beobachtungen
durchgeführt wurden. Besonders lehrreich ist für uns, die wir an die
Gründung einer Deutschen SPR. denken, aus dem finanziellen Jahresbericht
im Märzheft zu ersehen, wie eine solche Gesellschaft fundiert sein muß, wenn
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