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Konecny: Erfühlen der nächsten Zukunft
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Körperkonstitution ja einen so ernsthaften Ausgang der Krankheit, der die geäußerten
Maßnahmen rechtfertigen würde, vollkommen ausgeschaltet erscheinen
läßt. Darauf entgegnete der General ernst und kategorisch: „Führe nur
— mein lieberAlter — allesaus, um wa s ich dich ersuchte;
immer sah ich in ernsten Situationen, so besonders bei
den Kämpfen in Rußland, klar und deutlich in die nächste
Zukunft; gegenwärtig sehe ich aber nur Finsternis — es
ist Schluß!"
Tags darauf besuchte M. seinen Patienten wieder und traf ihn wieder in
bester Laune, bei gutem Appetit und vollkommen normaler Temperatur an, so
daß er in seiner Annahme über den vollkommen normalen Verlauf seiner Erkrankung
nur bestärkt wurde. Wieder versuchte M., den General von, der
völligen Haltlosigkeit seiner so schweren Mutmaßungen zu überzeugen und bat
ihn, sich dieselben aus dem Kopfe zu schlagen. G. aber antwortete sehr ernst:
.,Ich habe es dir schon gesagt, es ist Schluß!"
Und wirklich gab dieser hervorragende General in der nächsten Woche
seinen Geist auf. — Anschließend an diesen gewiß interessanten Fall der zeitlichen
Vorschau möchte ich noch einen zweiten Fall eines übersinnlichen
Ereignisses aus der Familienchronik der G. anführen, weil dieselbe nicht nur
durch die absolut verbürgten Aussagen der in Betracht kommenden Personen
sichergestellt ist, sondern weil er auch das interessante Gebiet der telepathischen
Uebertragung eines zur Anmeldung des Todes bestimmten
Symbolbildes betrifft, welches, wie es scheint, durch die Spannung der nach
seinem Heim gerichteten Gedankennot besonders lebhaft zur Auswirkung gelangte
.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Großvater des Generals G. Leibjäger
beim Fürsten Auersperg in Vlasim. In seinem Schloß dortselbst hatte
letzterer sein Arbeitszimmer mit Schlafzimmer und daneben noch ein kleines
Zimmer für den Lakeien, damit derselbe aufs Läuten des Fürsten sofort bei
der Hand sei. Zur kritischen Zeit fuhr dieser mit seinem Leibjäger mittels
Kutsche >on Vlasim nach Wien. Einige Tage nach der Abfahrt hörte der
zurückgebliebene Lakei nachts plötzlich die Glocke seines Herrn aus dem
Arbeitszimmer heftig läuten. Er fuhr im Bette auf, horchte, weil er seinen
Ohren nicht traute, um so mehr, als er docli den Fürsten abwesend wußte.
Gleich darauf aber hörte er wieder die Glocke läuten. In der Annahme, tlw
Fürst wäre nachts heimgekehrt und beanspruche seine Dienste, lief er zum
Arbeitszimmer, öffnete es und sah seinen Herrn am Schreibtische
arbeiten, auf welchem zwei angezündete Kerzen standen.
Er blickte seinen alten Lakeien ernst an und nickte mit
dem Kopfe. Die Szene verschwand — es wurde wieder finster.
Auf das äußerste erregt, konnte der Diener keinen Schlaf mein? finden.
Das erste in der Frühe war, daß er der übrigen Dienerschaft über sein Erlebnis
Mitteilung machte. Zirka eine Woche nach demselben kehrte der Leibjäger
mit der Nachricht zurück, daß der Fürst in einem Wiener Hotel zur gleichen
Zeit der Erscheinung Selbstmord begangen habe.
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