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Haberkalt: Was kann und soll der Okkultismus?
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Was kann und was soll der Okkultismus?
Ein Ausblick. Von Dr. K. Hab er kalt, Wien.
Will man den Kampf zwischen Anhängern und Gegnern des Okkultismus,
seine Motive und seine Bedeutung für die Menschheit richtig einschätzen, so
muß man, um einen vergleichenden Standpunkt zu gewinnen, in der Geislesgeschichte
der Kulturwelt bis in jene Zeit zurückgreifen, in der das Genie des
Kopernikus eine Jahrtausende alle Weltanschauung zertrümmerte, die Drehung
der Erde lehrte, diese der bisher behaupteten Stellung als Mittelpunkt des Weltalls
entkleidete und mit einem Schlage Licht in die scheinbar so verwickelten
Bewegungen am gestirnten Himmel brachte. Iiier wie dort Sturm der öffentlichen
Meinung, Widerstand der alten Denkgewohnheiten und der herrschenden
Wissenschaft, nicht zuletzt der in Dogmen und Buchstabenglauben erstarrten
Priester der Religion gegen das paradox erscheinende Neue! Freilich, die Analogie
bezieht sich mehr auf das Aeußere der Gegensätze; dem Wesen nach besteht
eine große Verschiedenheit. Wohl handelt es sich bei beiden um Erkenntnisprobleme
ohne merkbaren materiellen Einfluß auf das menschliche
Leben; so ist es im Grunde genommen für Zivilisation und Kultur gleichgültig
, ob sich Erde und Planeten um die Sonne drehen oder umgekehrt, und
nur das menschliche Kausaiitätsbedürfnis fühlt sich durch die erstere Annahme
besser befriedigt. Aber auf dem okkultistischen Gebiete geht es um mehr als-
bloß um eine kausalgemäß zutreffende Deutung gewisser „okkulter" Erscheinungen
; diese können vielmehr, je nach der Art ihrer „Erklärung" geeignet
sein, Licht auf das eigenste Wesen des Menschen zu werfen, das Rätsel des
Todes zu lösen und in weiterer Folge ihm endlich vollwertige, nicht auf Offenbarungen
oder auf selbstgeschaffenen Prinzipien aufgebaute Motive für sein
ethisches Handeln zu geben.
Man darf allerdings nicht vergessen, daß jede „Erklärung" nicht
Wahrheit, sondern nur eine Hypothese darstellt und wir von einer solchen
schon befriedigt sind, wenn si$ das zu erklärende Gebiet lückenlos, ohne
Widersprüche umfaßt; aber auch von einer solchen gilt das Wort Boltz-
itianns: „Keine Hypothese kann etwas mit der Natur sich wirklich Deckendes
sein, jede ist vielmehr nur ein geistiges Symbol der Erscheinungen und
verhält sich zu diesen wie das Zeichen zum Bezeichneten." Man braucht
hier nur an manche neueren physikalischen Hypothesen zu denken, um den
Ausspruch des Naturforschers Brunetieres zu begreifen: „Wir erklären
oft Dinge, die wir nicht verstehen, durch Dinge, die wir gar nicht verstehen."
Im Streite um den Okkultismus geht es heute noch vielfach um die Feststellung
der Tatsachen, die von den einen ebenso hartnäckig l>ekämpft
nie von andern verteidigt werden; merkwürdig ist, daß es gerade die Erscheinungen
physikalischer Natur wie Bewegungen lebloser Körper ohne Berührung
, also Fern Wirkungen, Erzeugung von Tönen und Lichterscheinungen,
Apporte (Hereinbringung von Gegenständen in allseitig verschlossene Räume),
Levitationcn, Materialisationen u. a. sind, die am meisten Widerspruch finden
, obwohl man gerade bei diesen an die verhältnismäßige Leichtigkeit einer
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