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Zeitschrift für Parapsychologie. Heft 1. (Januar 1931.)
Ausdruck zu gebrauchen, der Parapsychologie. Er kann es, wenn auf seine
Untersuchung die gleiche sorgfältige und mühsame Forscherarbeit verwendet
werden wird, wie auf vielen anderen Wissensgebieten, und er soll es wegen
seiner eingangs betonten hohen Wichtigkeit für geistiges Leben und Wesen der
Menschheit.
Freilich, diese Wichtigkeit ergibt sich nicht direkt aus den Tatsachen
selbst, sondern aus ihrer Deutung, ihrer Fassung in Regeln und „Gesetze",
ihrer „Erklärung**, d. i. aus der Zurückführung auf eine supponierte „Ursache**,
also aus der Erkenntnis ihrer „Ursächlichkeit**, soweit sich diese aus einer in
sich widerspruchsfreien Hypothese ergibt und so das Kausalitätsbedürfnis befriedigt
.
Zwei solcher Hypothesen sind es, die hier in Betracht kommen: die animi-
s t i s c h e , (von anima = Seele) und die spiritistische; erstere führt
alles auf noch unbekannte Kräfte der Seele des Mediums zurück, die in dessen
meist unbewußtem (Trance)zustande ausgelöst werden, letztere hingegen auf das
Wirken geistiger Wesen, die sich des Mediums als Sprachrohr, als Mittel zur
Sendung von Mitteilungen und als Kraftquelle bedienen, wobei diese „Geister**
von den einen als die Seelen Verstorbener, von andern als selbständige Wesenheiten
angesehen werden.
Beide Hypothesen haben gewisse Vorzüge und Mängel. Alle okkultistischen
Erscheinungen — ihre Tatsächlichkeit vorausgesetzt — der Seele des Mediums
zuschreiben, heißt diese mit Kräften und Fähigkeiten ausstatten, die sie zu
einem Wunderwesen gestalten würden, weit wunderbarer als das zu Erklärende
(siehe hierzu die obige Aeußerung Brunetieres). Sie müßte imstande sein,
über die Schranken von Zeit und Raum hinweg Kräfte auszusenden und Wahrnehmungen
zu empfinden, den Bewußtseinsinhalt nicht bloß der Anwesenden,
sondern auch entfernter, ihr fremder Personen, ja selbst von Verstorbenen
ausschöpfen, also Gedanken lesen, fremde, dem Lebenden unbekannte Sprachen
verstehen und gebrauchen, die Schwerkraft aufheben oder beeinflussen, bis zu
einem gewissen Grade in Vergangenheil und Zukunft blicken, endlich organische
Gebilde, menschliche Körperteile und ganze menschenähnliche Gestalten (Phantome
) mehr oder minder deutlich mit Hilfe einer vermutlich dem medialen
Leibe entnommenen Substanz, formen und rückbilden können! Es ist begreiflich
daß die Zuerkennung aller dieser Fähigkeiten an die anima der Medien,
die, nebenbei bemerkt, oft nur von geringem Bildungsgrade sind, während
die Mitteilungen in Sprache und Inhalt nicht selten ein weit höheres Niveau
erkennen lassen, starkem Widerspruche begegnet; insbesondere ist dies gegenüber
solchen von Verstorbenen der Fall, die sich angeblich manifestieren und
Angaben über ihr Leben, über ihren Tod und über gewisse Umstände machen,
die keinem der Anwesenden, manchmal überhaupt keinem anderen Menschen
bekannt sein können. •
Die Spiritisten finden gerade in diesen Manifestationen ein Argument für
das Fortleben der Seelen nach 'lern Tode, die sich unter gewissen, noch nicht
näher bekannten Verhältnissen, meistens unter Vermittlung eines Mediums
mit den Menschen in Verbindung setzen sollen. Die spiritistische Hypothese
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