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Mannheimer: Transkausale Physik und Parapsychologie.
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annehmen: Die empiriscre, die rationalistische und die transzendente, jene, die
ihr Wesen „an sich", ohne Rücksicht auf die vermittelnden Sinnesorgane anschaulich
macht.
Stillschweigend setzen wir voraus, daß unsere Erkenntnismittel ausreichend
sind für die Erfassung kosmologischer Tatsächlichkeiten. Aber nichts gibt
uns diese Gewißheit: denn alle auf unser Weltbild angewandten Theorien sind
nie lückenlos geblieben, da jede Regel ihre unerklärlichen Ausnahmen besaß.
Daraus können wir nun schließen, daß das von uns angewendele Ordnungsgefüge
kein adäquates gewesen ist, daß andere denkbar sind, die wieder andere
Lücken offenlassen würden. Unser nach dem Kausalgesetz geschaffenes Weltbild
ermangelt also der Einheitlichkeit. Das Ziel der Physik, einen ausnahmslosen
Regelzustand — durch das angewendete System zu repräsentieren, v*ard
nicht erreicht. Die Gründe sind mannigfaltig; unser Weltbild war statisch;
es ist dynamisch geworden: woher wissen wir, daß das „All" vollendet ist?
Wäre die Lückenhaftigkeit unserer Systeme vielleicht dadurch verständlich,
daß der ganze Kosmos noch im Werden ist, wodurch die Störungen verursacht
sind, die unserem statischen Weltbild unverständlich blieben? Denn die innahme
, daß alles Geschehen Zufall sei, muß ausgeschlossen bleiben: Der Zufall
hat keine Gesetzmäßigkeit.
Die Empirie hat uns zum Kausalgesetz geführt; bestimmte Merkmale kehren
immer wieder, mit andern verknüpft, in gleicher Zeitenfolge: drum fassen wir
sie nach Ursache und Wirkung gebunden. Unser Denken, ja, unser ganzer
Daseinsablauf ist nach dieser Weltanschauung eingerichtet. Der frühen Historie
ist sie ebenso gewohnt wie uns selber.
Es ist klar, daß auch jede Geisteswissenschaft dieser Denknorm sich von
ihren Grundlagen an bediente. Ihr Beweismittel ist das Experiment. So
entstand die nach Ursache und Wirkung verknüpfte ijehre von der Seele: die
Psychologie. Hier hat die Einheit unseres Weltbildes zur Gänze versagt. Gleichen
Voraussetzungen sollten gleiche Wirkungen entsprechen. Aber es blieb
unmöglich, den Ablauf der Denk- urtd Lebenstüchtigkeit nach mechanistischen
Gesetzen zu erklären. Das Weltbild des 19. Jahrhunderts war eine durch
unabänderliche Gesetzmäßigkeit beherrschte Mannigfaltigkeit. Aber überall
fiel der Gegensatz zwischen toter und lebendiger Natur ins Auge. So spaltete
sich jede Wissenschaft, die seelische Phänomene auch nur berührte. Die Psychologie
selber zerfiel in eine spekulative und eine experimentelle Richtung. Die
Biologie spaltete sich in vitalistische und mechanistische Schulen. Die letzteren
gingen von den Tatsachen körperlicher Wandlungsfähigkeit aus, die crsfceren
von den Urtatsachen des Lebens selber. Theoretische und praktische Ergebnisse
haben nun dazu geführt, unsere Naturwissenschaft in ihren Fundamentalan-
vchauungen gründlich zu revolutionieren. Die Atomphysik, im Gegensatz zur
makroskopischen, hat uns einen Mikro-Kosmos zur Anschauung gebracht, der
andern Gesetzen gehorchte. Als man diese festzulegen begann, ergab sich,
daß kein kausaler Mechanismus dahinter erkennbar war. Die Quantenphjsik
formuliert ihre Gesetze nicht mehr streng kausal, sondern als unendlich große,
statistische Wahrscheinlichkeit. Damit erhielt aber die Einheitlichkeit der
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