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Sünner: „Prinzipielle Betrachtungen" zu einer Sitzung mit Rudi Schneider. 39
Nach abermals 16 Minuten, die Uhr geht auf 12, soll noch ein Levitations-
> ersuch des Mediums gemacht werden, wir gruppieren uns in weitem Kreise,
ich überlasse die Kontrolle anderen Herren, wir unterhalten uns gedämpft,
jedoch trotz versehiedentlichcr Ermunterung kommt kein tiefer Trancezustand
mehr zustande, und die Levitation gelingt diesmal nicht. Man äußert ein
leichtes Bedauern hierüber, ist jedoch selbst fast ermüdet und vor allem so ungeheuer
angefüllt mit dem seltsamen Erlebnis dieses Abends, daß die Gedanken
unaufhörlich kreisen, als man wieder in die Nachtlufl der Straßen hinaustritt
. —
Es sei mir nun gestattet, noch einige Bemerkungen anzuknüpfen. Wie
man sieht, bin ich auf die von Dr. Bruck in die Debatte geworfene angebliche
Telepathie der Sitzungsteilnehmer mit Rudi bei dem Experimente mit der
Spieldose nicht verfallen. Wenn mir auch damals die von Dr. Bruck als Telepathie
gedeutete Erscheinung wohl auffiel und mir noch heute deutlich in
Erinnerung ist, so legte ich dieser zeitlichen Inkongruenz keine besondere
Bedeutung bei, da ja dem Medium der fast stereotype Ablauf solcher Sitzungsabende
bekannt war, und Rudi — oder sein Spalt-Ich? — durch von
Schrenck sowohl mündlich wie durch die von ihm zunächst zur Probe betätigte
Hebel-Aus- und -Einschaltung auf das Kommende hingewiesen worden war.
Wenn jedoch Dr. Bruck mit seiner Annahme einer Telepathie im vorliegenden
Falle auf der richtigen Fährte sein sollte, so gäbe es "Vorgänge analoger Art bei
anderen Medien. Ich verweise auf eine Stelle in den Erinnerungen des berühmten
englischen Mediums Frau d'Esperanee, welche lautet: „Ich verlor meine
physische Kraft, aber keinen Teil meiner Individualität. Im Gegenteil, der
"Verlust meiner physischen Kräfte schien meine Sinne nur zu schärfen. Entfernte
Geräusche, welche ich sonst nicht gehört hätte, wurden heimlich hörbar;
die Bewegung eines Teilnehmers ließ jeden Nerv in mir vibrieren; ein plötzlicher
Ausruf versetzte mich in Schrecken. Die Gedanken der Anwesenden
fühlte ich wie materielle Dinge."
Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf den Bericht meines ersten
Besuchte bei Frau Silbert (Psych. Studien, Juni 1925, S. 32/j), wo ich schildere,
daß ich auf einer unten auf das Tischkreuz gelegten Ansichtskarte von Graz
mit Bleistift den Namenszug „Nell/|. V sowie in ein silbernes Zigarettenetui
die Gravierung „Nell-4" erhielt, obwohl ich meinen im stillen gehegten
Wunsch nicht in Worte gefaßt hatte!
Daß das Medium Rudi (resp. „Olga") über die Vorgänge außerhalb seines
Organismus in jedem Falle unterrichtet war, habe ich bei dem — wie auch oben
betont — bedeutende Kraftanstrengung erfordernden lieben und Senken des
3-Kilo-Gewichles zu meiner Ueberraschung wahrgenommen, indem Rudi („Olga")
auf die laut geäußerte Befürchtung eines Sitzungsteilnehmers seine vor sich hingemurmelte
und wohl nur Gruber und mir >ernehmbare, beruhigende Aeußerung
tat, derzufolge er für einen gefahrlosen Ablauf dieses Phänomens gewissermaßen
zu garantieren schien.
Und doch! Gerade weil ich an diesem Abend durch die von mir ausgeübte
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