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Zeitschrift für Parapsychologie. Heft 1. ^(Januar 193L)
keit des sie wahrnehmenden Organismus und haben kein Korrelat in der
Außenwelt
Aber — und hier kommt das scheinbar Widersprüchliche — diese Erscheinungen
sind etwas ganz anderes als besonders starke Einbildungen, wie sie
wohl in jedem Kopf umherschwirren. Es sind vielmehr plastisch sich in der
Außenwelt darstellende, sozusagen konkrete und objektive Gegebenheiten
. Jeder, der ein solches Erlebnis hat, wird empört die Unterstellung, es
handle sich dabei um eine bloße Phantasie seinerseits, zurückweisen. Und mit
Recht. Denn der Unterschied dieser plastischen Erlebnisse, deren Ort in der
Außenwelt lokalisiert ist, von irgendwelchen Phantasien und Einbildungen ist
nicht bloß ein gradueller, sondern ein wesentlicher. Die Bilder und Töne befinden
sich, vom Erleben aus geschildert, in der Außenwelt. Nicht das Ich schafft
diese Gebilde, sondern diese Gebilde treten dem Ich entgegen, als ob sie fremde
Wesen wären. Und dann ist es für naive Seelen sehr naheliegend, an „Geister" zu
glauben, die in unsere Welt hinein wirken, zu uns sprechen und dergleichen.
Wer Stereo-Optik und Stereo-Akustik studiert, wird nun folgendes Neue
feststellen. Es gibt nicht zwei, sondern drei psychologische Realitätsstufen der
Phänomene. Die erste ist die der bloßen subjektiven Phantasie und Einbildung,
die aus dem Organismus herausprojiziert wird. Sie liegt etwa vor, wenn wir
eine Landschaft auf eine Fläche gemalt sehen und dann in unserer Phantasie
den Tiefenraum dazu illusionieren. Die zweite, die ich ausdrücklich als
etwas anderes hervorhebe, ist in der Stereowahrnehmung gegeben,
bei welcher die Lokalisation im Außenraum mit sensorischer Notwendigkeit
vorgenommen wird, obwohl kein reales Objekt da ist, das dem entspricht
So zum Beispiel, wenn man durch ein Stereoskop schaut, das die Gegenstände
lebensgroß und kinematographisch bewegt darstellt, könnte man meinen, es
seien da reale Körper in der Außenwelt, die dennoch gar nicht vorhanden
sind. Der Eindruck ist außenweltlich lokalisiert. Die wahrgenommenen Objekte
verhalten sich genau wie reale Phänomene. Und doch sind sie keine.
Oder wenn man bei geeigneter Versuchsanordnung stereoakustisch hört (wie ich
in Experimenten gelegentlich eines Patentantrags am Reichspostzentralamt Berlin
kürzlich demonstrierte), so fühlt sich der Hörer „in seinen Hörraum einbezogen
". Das heißt, er nört die Töne körperlich, als aus der Außenwelt zu
ihm sprechend, und nicht bloß schemenhaft, wie eine flache subjektive Illusion.
Und die dritte Stufe ist dann das körperliche Wahrnehmen, dem wirklich eine
Außenwelt entspricht. Daß diese Außenwelt da ist, wird bewiesen durch das
übereinstimmmende Urteil aller normalen Menschen über die betreffenden
Wahrnehmungen.
Wir hätten also hier die interessante Taitsache, daß die Stereo-Wahr-1
n e h m u n g sozusagen eine erkenntnistheoretische Sonderbedeutung
hat. Sie ist nicht objektiv gültig, aber sie wird als objektive erlebt.
Und sie ist zwar eine „Ausgeburt" unseres wahrnehmenden Organismus, aber
doch in ganz anderm Sinn als eine bloße Illusion oder Einbildung. Die betreffenden
Medien haben ganz recht, wenn sie sich gegen die Verwechslung ihrer
objektiven Erlebnisse mit bloßen Phantasien nichtplastischer Art sträuben.
Ebensogut könnte ja einer, der auf die Ohren gefallen ist, behaupten, daß
zwischen dem üblichen und dem stereoakustischen Rundfunkhören kein Wesensunterschied
sei: was ich energisch bestreite.
Ich will übrigens durch die Einführung meines Begriffs der „plastischen
Halluzination" nicht weiter gehen, als richtig ist. Ich werde zum Beispiel nicht
so töricht sein, die Fernkontakte im „zweiten Gesicht" und dergleichen durch
mein Prinzip erschöpfen zu wollen. Sondern da handelt es sich um psychische
Fernverbindung bei abgestimmter Aetherspannung zwischen Sender und Empfänger
. Wenn man aber dies berücksichtigt, daß ich durch den neuen Begriff nicht
etwa parapsychologische Tatsachen ganz anderer Art falsch erklären möchte,
so bleibt als Ergebnis zurück, daß man für viele in der Praxis vorkommende
Fälle (zum Teil auch religiöser Natur), die bisher fälschlich auf spiritistische Ursachen
oder bloß illusorische Phantasie zurückgeführt wurden, die richtige
Erklärung hat, die sowohl der Objektivität des Eindrucks als der Subjektivität
des Ursprungs ihr Recht werden läßt. <
Die Ursache für alle Stereowahrnehmungen, afco auch für sofehe, dürfte in
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