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ferner nicht mehr sehen." Tor den Augen des Mädchens ging sie auf den
Kirchhof zu — „und stieg in merkwürdiger Weise über die Mauer".
(XL 63.) Im Dorfe Stammhehn bei Mülheim am Rhein, in der Kölner
Diözese, waren zwei Ritter, namens Günther und Hugo. Während Günther
sich über Meer befand, führte eine Magd dessen Kinder vor dem Schlafengehen
in den Hof, damit sie ihr Bedürfnis befriedigten. Da sahen sie plötzlich
eine weißgekleidete Frau mit bleichem Antlitz über den Zaun schauen. Die
Magd verstummte vor Schrecken; das Phantom aber ging /um benachbarten
Anwesen Hugos, und schaute in gleicher Weise über den Zaun. Dann kehrte
sie zum Kirchhof, woher sie gekommen war, zurück. Nach etlichem Tagen
erkrankte das ältere Kind Günthers, und sagte, es werde am siebenten Tage
sterben: nach wieder sieben Tagen seine Schwester Dirina. und dann wieder
nach einer Woche die kleinste Schwester. Nach dem Tode der Kinder starb
auch «die Mutter und die Magd, weilohe das Phantom gesehen hatte. Zur selben
Zeit starben auch Ritter Hugo und dessen Sohn. Caesariu« führt seinen Sub-
prior Gerlach als ,.sicheren Zeugen" für diese Geschichte an.
(XII. i5.) Im Bistum Trier war ein Ritter, Heinrich mit dem Beinamen
Nodus. Er verübte Ehebruch. Meineid, Inzest, Raub und hielt solches für
Tugenden. Nach seinem Ableben zeigte er sich vielen in dem Schafpelz, den
er bei Lebzeiten immer zu tragen pflegte, besonders oft erschien er im Hause
seiner Tochter. Weder durch das Kreuzzeichen, noch durch Schwerthiebe,
mit welchen er des öftern getroffen, doch nie verwundet wurde, konnte er verscheucht
werden. Erzbischof Johannes von Trier — der Vorfall fällt demnach
zwischen 1190 und i*m — ließ das Phantom mit einem Wasser, das über
einen Nagel vom Kreiu Christi gegossen worden war. besprengen; dann verschwand
es und zeigte sich nicht mehr. Jene Tochter war des Ritters außei-
eheliches Kind von einer Magd, und als sie herangewachsen war, hatte er mit
ihr Inzest begangen, welchen Unistand Caesariiis im Schlußsatz ausdrücklich
erwähnt.
("V.o.) Abt Hermann von llimmerode hatte in diesem seinem Kloster einen
Laienbruder, namens Heinrich, ein guter und gerechter Mann reiferen Alters
und noch jungfräulichen Leibes. Dieser hatte die Gabe, daß er bei nachtschlafender
Zeit allerlei Teufel umherlaufen sah. Vis er diese Gabe einmal
dem Abte gebeichtet hatte, ergriff diesen das Verlangen, ebenfalls diese Gestalten
zu sehen. Nach inständigem Gebet ward er sofort erhört. Bei der Frühmesse
am Martinstag sah er einen Teufel (wie Caesarius meint!) in Ge3talt
eines vierschrötigen Bauern ins Presbyterium eintreten; er hatte eine breite
Brust, eckige Schultern, einen kurzen Hals, das Haar an der Stirn verwegen
aufgestülpt, während die übrigen Haare gleich Achren um den Kopf hingen.
Er stieg hinauf zu einein gewissen Novizen und blieb vor demselben stehen.
Ein anderes Mal sah Hermann einen Teufel, der halte ein Weibergesicht, trug
einen schwarzen Schleier um den Kopf und war im einen «chwarzen Mantel
gehüllt. Oft sah der Abt die Teufel aucli an verschiedenen Orten wie Funken
leuchten. Er merkte aber, daß dieser Vnbiick seinen Augen schade. Vis er
darum einmal während der Mes^e betete. Gott möge ihn von dieser Gabe wieder
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