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Bergmann -Schmidt: Für oder gegen den Spiritismus ?
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es meistens der Fall ist, der Inhalt des Geschriebenen nichtssagendes Zeug ist
oder jedenfalls dem jeweiligen Bildungsgrade und Bewußtseinsinhalt des Mediums
entspricht.
Schmidt: Und dieses Phänomen glauben Sie ohne Geislermitwirkung
nicht erklären zu können?
Bergmann: Gemach, gemach, Herr Kollege! Die Sache läge lächerlich
einfach, wenn nichts anderes zu erklären wäre als die mechanische Schreibbewegung
des Mediums. Es gibt jedoch Fälle, wo zu diesem Vorgang höchst
sonderbare Begleiterscheinungen hinzutreten. Dazu zähle ich z. B. die bei
guten Schreibmedien oft gemachte Erfahrung, daß sie erklären, ein Verstorbener
bekunde sich auf diesem Wege, und daß seine bei Lebzeiten ihm
eigentümliche Handschrift mit allen charakteristischen Merkmalen auf dem
Papier des Mediums erscheint.
Sc hm idt: Hier kommen Sie aber auf das schwierige Kapitel, oder, richtiger
gesagt, auf den unsicheren Boden der Identifizierung von Handschriften.
In zahllosen Strafprozessen hat man es ja erlebt, daß über die Frage, \on welcher
Person in einem vorliegenden Falle die Handschrift herrühre, sich dio
hervorragendsten Sachverständigen nicht einigen konnten. Wenn wir also selbst
bei den Mänrern vom F|ach eine so weitgehende Unsicherheit sehen, auf wie
schwachen Füßen sieh* da die Behauptung daß in einer Niederschrift die
Schriftzüge eines ^ ejstorbenen wiedergegeben seien.
Bor gm an n: Nun gut, ich will Ihnen zugeben, daß weder die Bewegungen
der Schreibhand des Mediums noch die Schrift selbst uns die Annahme
aufnötigen, daß beides oder auch nur ^ins \on beiden durch einen
Geist verursacht werde. lassen Sie uns aber einmal von diesen Veußerlioh-
keilen absehen und lediglich den Inhalt des Geschriiel)cnen in Betracht ziehen,
so zeigt sich gar nicht selten, daß dieser unmöglich aus dem Bewußtsein des
Mediums herrühren könne.
(Schmidt: Solche Fälle gibt es gewiß, und sie .sind mir durchaus nicht
unbekannt. Ich weiß aus der okkultistischen Literatur, daß das Schreibmedium
in der Trance manclimal Niederschriften in fremden Sprachen macht, von
denen es in wachem Zustande auch nicht ein Wort kennt, oder daß das Medium
Dinge mitteilt, von welchen es auf normalem Wege keine Kenntnis erlangt
haben kann. Aber diese Erscheinungen zwingen uns noch lange nicht zu der
Annahme, daß ihr Llrheber ein entkörperter Geist sein müsse; sie lassen sich
vielmehr durch Gedankenübertragung, durch die sog. Telepathie, ganz zwanglos
erklären. Das Schi eibmedium gewinnt eben durch den Tranoezustand
eine \ eränderte Bewußtseinslage, die sein Unterbewußtsein gewissermaßen
entbindet und in gesteigerte Tätigkeit versetzt. Sie entbindet auch die zwar noch
wenig erforschte, aber als tatsächlich anerkannte Fähigkeit, in den Besitz von
Kenntnissen zu gelangen, welche nicht aus dem Medium selbst stammen, sondern
aus einem fremden Bewußtseinsinhalt geschöpft werden, mag dieser nun einem
der Zirkelteilnehmer oder irgendeiner abwesenden Person angehören.
Bergmann*: Nun ja, da kommen Sie mit Ihrer berühmten animistischen
Hypothese, dem Unterbewußtsein. Dieser >on Prof. De^soir in die Psychologie
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