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Bergmann—Schmidt: Für oder gegen den Spiritismus ?
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borg zu lösen, und diß sie sich daher genötigt sieht, entweder auf jede Erklärung
zu verzichten oder uns auf die Zukunft zu vertrösten und auf Sie einen
Wechsel auszustellen. Unser Kausalitätsbedürfnis aber, das gebieterisch eine
Erklärung verlangt, kann zur Zeit auf keine andere Weise befriedigt werden
als durch die spiritistische Hypothese. Im übrigen: Sie wollten ja noch einen
Fall von automatischem Schreiben aus Ihrer eigenen Erfahrung in unsen*
Diskussion ziehen. Um was handelt es sich da?
Schmidt: Bei dem Fall, auf den ich \orhin anspielte, handelt es sich
nicht eigentlich um automatisches Schreiben, sondern um das so seltene Phänomen
der direkten Schrift. Der Fall, oder genauer gesagt, die Person seiner
Trägerin ist Ihnen ebenso bekannt wie mir. Es handelt sich nämlich um ithV
kleine Lucie Regulski. Wir haben ja die elfjährige Kleine und die spukhaften
Phänomene, die sich an ihre Person knüpften und die damals sogar in der
breitesten Oeffenthchkeit ein gewaltiges Aufsehen hervorriefen, wochenlang
uem einsam beobachtet. Gerade aber an einem Vbend. wo Sie nicht zugegen
waren, ereignete sich in Gegenwart von mir und vier mitbeobachtenden Kollegen
ein Phänomen, das ganz dazu angetan schien, selbst den entschlossoui-
>ten Gegner der spiritistischen Hypothese zu ihr zu bekehren. Vorausschicken
muß ich zweierlei: Einmal nämlich: wir fünf Kollegen standen damals ausnahmslos
auf animistis^hem Boden; und sodann zweitens: \on irgendwelchem
Betrug konnte nicht im entferntesten die Hede sein. Der Gedanke an Täuschung
war im vorliegenden Falle im höchsten Grade abwegig. Denn weder
das Kind noch seine Eltern, treugiäubige Katholiken aus dem Yrbeiterstände und
von beslem Leumund, hatten durch den bt rühmt gewordenen Spuk irgendwelche
Vorteile. Im Gegenteil, er brachte ihnen zahlreiche und recht unerfreuliche
l ngelegenheiten. Dazu kommt noch, daß wir Beobachtenden als erfahrene
Okkultisten alle Vorsichtsmaßregeln zum völligen Ausschluß von Tricks oder
Selbsttäuschung getroffen hatten. Das also sei vorausgeschickt. Einer von uns
hatte eine Schiefertafel mitgebracht, die auf beiden Seiten unbeschrieben war.
Diese wurde unter das Bett der kleinen Lucie gelegt, in welchem sie bei unverändert
klarem, wachem Bewußtsein ausgestreckt lag. Zu den Seiten des Beltes
hielt ein Beobachter Hand und Arm des Kindes, fm Zimmer war es so hell,
daß die Anwesenden und jede ihrer Bewegungen mühelos wahrgenommen
werden konnten. Außer dem kindlichen Medium und uns fünf Beobachtern
befand sich niemand im Zimmer. Unter dem Bett verbarg sich auch nicht
*4wa ein Helfershelfer. Die Tafel wurde also untors Bett gelegt, zugleich uiil
einem Stück Kreide. ^Nunmehr bat die kleine Lucie in ihrer kindlichen Weise
den kürzlich verstorbenen ..Onkel Hans", dessen Geist ihrem Glauben nach
den Spuk in der Wohnung unterhielt, er möge doch etwas auf die Tafel
schreiben, und, sobald er es getan, möge er ein Zeichen geben mit einer Hand-
kJingel, die an einer dem Kind unerreichbaren Stelle ebenfalls unter dem Bett
*land. Nach einigen Minuten ertönt ein Klingelzeichen — und was ist geschehen
? Auf der einen Seite der Tafel zeigt sich, wie wir alle übereinstimmend
feststellten, ein nicht zu verkennendes römisches IL also offenbar die*
Kbkürzung für Hans.
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