http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1931/0123
101
Kuriositäten von Hellwig.
Die Berliner Presse nahm nach dem Frenzel-Prozeß das vom Gericht unter
Vorsitz Hellwigs gefällte Urteil mit recht drastischen Bemerkungen auf. Ein
Abendblatt veröffentlichte den Schlußbericht unter der Riesenüberschrift: „Der
böse Geist von Potsdam." - - Kürzlich brachte die „Morgenpost" folgende Noti/:
600 Seiten Frenzel-Urteil.
Eine umständliche Begründung.
Aus Potsdam wird berichtet: Landgerichtsdirektor Hellwig sei immer noch
mit der Abfassung des Urteils im Frenzel-Prozeß beschäftigt. t)ie Urteilsbegründung
umfasse bisher etwa 600 Schreibmaschinen.
Man darf dazu bemerken, daß Urteile, die dem allgemeinen
Rechtsempfinden entsprechen, gewöhnlich keiner
600 Seiten langen Begründung bedürfen, und daß das Urteil
gegen Frenzel wahrscheinlich auch dann nicht verständlich
sein wird, wenn die Begründung 1000 Seiten unifaßt
.
Jetzt lasen wir am 15. Januar in der „Deutschen Allg. Zeitung":
Frenzeis Verteidiger beschweren sich beim Generalstaatsanwalt.
Angesichts des Umfanges der schriftlichen Urteilsausarbeitung im Pro/eß
Frenzel hat die Verteidigung die gesetzliche Frist von acht Tagen zur Revisionsbegründung
als völlig unzureichend erklärt und die vorherige offizielle Mitteilung
des Urteilsinhalts verlangt. Dieser Antrag der Verteidiger ist nun am Mittwoch
vormittag von der Staatsanwaltschaft abgelehnt worden.
Bald darauf erschien in dem einen Anwaltbüro ein Beamter des Amtsgerichts
Charlottenburg, um im Auftrage des Oberstaatsanwalts Tetzlaff in Potsdam das
651 Seiten starke Urteil zu überbringen. Im Hinblick auf die vorherige Ablehnung
des erwähnten Antrages weigerte sich nanmehr der betreffende Verteidiger
, das Urteil entgegenzunehmen, so daß der Bote des Gerichts mit dem
,,Paket" unverrichteter Dinge wieder abziehen mußte. Gleichzeitig wurde \on
der Verteidigung Beschwerde beim Generalstaatsanwalt beim Kammergericht eingelegt
, der dann auch entschied, daß die offizielle Zustellung des Urteils \or-
läufig ausgesetzt werden solle. Die endgültige Entscheidung des Generalstaatsanwalts
dürfte in Kürze zu erwarten sein.
Wie man sieht, hat Herr Hellwig seine fleißige Feder diesmal in den Dienst
seines Amtes gestellt, wobei nur zu bedauern bleibt, daß dabei wohl kein Extrahonorar
heraussprang, wie es die sonst übliche journalistische Betätigung einbrachte
. Was Herr Hellwig aber auch unternimmt, der Presse kann er rein gar
nichts mehr recht machen. — S.
Kritische Bemerkungen über van Holthe tot Echtens Aufsatz: „Das Medium
Heinrich Melzer in Holland."
Von Prof. Dr. G. C. H e r i n g a und Dr. S. K o s t e r, beide in Amsterdam.
Im oben genannten Aufsatz hat Herr van Holthe tot Echten Dinge geschrieben
, die nicht der Wahrheit gemäß sind. Wir rechnen es uns nun zur Pflicht
an, hier die Wahrheit mitzuteilen.
Vor der Sitzung wurde Herr Melzer wohl mit ins Badezimmer genommen,
um die beabsichtigte Untersuchung vorzunehmen. Da er die Untersuchung aber
nicht zulassen wollte, wurde er von uns nicht ausgekleidet und nicht eingehend
untersucht. Sein ganzes Benehmen bei der Sitzung war ein solches, daß
wir meinten, er wäre nicht in Trancezustamd und die Steine wären nicht
auf geheimnisvolle Weise „materialisiert", sondern mittels willkürlicher anti-
peristaltischer Würgbewegungen aus dem Magen hervorgebracht. Weil wir der
Sache gar keine Bedeutung zuerkannten, haben wir ein Gutachten verweigert
Hierzu ging uns zu gleicher Zeit noch folgende Stellungnahme zu:
„Auf der Seite unserer Gegner wimmelt es, wie die Erfahrung lehrt, von
unlauteren Elementen. Die Möglichkeit ist immerhin gegeben, daß einzelne derselben
in unser Lager hinüberschleichen und Unheil zu stiften suchen." H. Ohl-
haver (Die Toten leben, p. 191).
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1931/0123