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102 Zeitschrift für Parapsychologie. 2. Heft. (Februar 1931.)
Die Bemerkungen der Herren Prof. Heringa und Dr. Koster aus Amsterdam beantworte
ich wie folgt: Natürlich bin ich in Amsterdam bei Frau Oroen nicht bei der
Untersuchung Melzers durch diese Herren anwesend gewesen. Ich habe mich
geirrt in Bezug auf die Untersuchung am g a n / e n Körper, aber auch nur darin
allein. Melzer hat Rock und Weste ausgezogen und wurde timgekleidet in ein
langes Gewand, von hinten geschlossen, mit elastischen Bändern an Pulsen und
Knöcheln. Ich selbst sah ihn so gekleidet ins Sitzungszimmer eintreten und
vorher hatte ich ihn im gewohnten Rock und Weste da im Hause gesehen und
gesprochen. Auch sagte einer der Untersuchungsherren Frau Oroen, daß sie den
Mund und die Nase Melzers untersucht hatten. Ob ihre Untersuchung eingehend
war, kann fraglich sein, meines Erachtens war sie das. Die Herren folgen dem
Beispiel von Dr. Oulat-Wellenburg und Dr. Mathilde von Kemnitz bei Eva C.
in den Sitzungen bei Baron von Schrenck-Notzing; Melzer würde die Steine
hinuntergeschluckt und wieder aus dem Magen in der Sitzung hervorgebracht
haben. Nun habe ich in dieser Sitzung gesehen, daß Bottava (Kontrolle Melzers)
oder Bottava-Melzer einen der vier Steine weggeblasen hat. Das wird sicher
Melzer, wenn er normal bewußt und nicht in Trance war, nicht getan haben.
Nach meinen vielen und langen Erfahrungen der Blumen- und Steine-Apporte
Melzers kommt mir diese Meinung lächerlich vor. Die Meinung der Herren, daß
Melzer nicht in Trance war, ist auch mindestens sehr eigentümlich, wenn man
die Reden mit Vortrag und bisweilen Transfiguration Melzers gehört und gesehen
hat. Haben die Herren jemals eine Materialisation gesehen? Ich denke
mir, diese Herren sprechen über Sachen, welche sie gar nicht kennen. Ihr Gutachten
hat dann auch m. E. gar keinen Wert, weil sie in paiapsychologischen
Sachen keine Sachverständigen sind. Dieses ist das Resultat, das am Ende ihre
Bemerkungen wahrscheinlich gemacht haben.
Den Haag (Holland), 10. Dezember 1930.
R. O. van H o 11 h e tot Echten.
In memoriam: Rocco Santoliquido f.
Gelegentlich des Todes des italienischen Parapsychologen, Prof. Rocco Santj-
hquido, bringt der „Popolo d'Italia" vom 28. 12. 1930 einen Nachruf des Mailänder
Universitätsprofessors, Ferd. Cazzamalli, den dieser liebenswürdigerweise
der Schriftleitung der Z. f. P. zur Verfügung stellte und dem wir folgende Daten
entnehmen, welche di** Bedeutung des Verewigten in das richtige Licht zu stellt n
geeignet sind.
Als Santoliquido dein verstorbenen Dr. Geley die Grabrede hielt, wies er
auf die Metapsychik als eine ernste und strenge Wissenschaft hin. Dafür hat sie
Santoliquido gehalten, in diesem Sinne hat er ihr sein unermüdliches Wirken gewidmet
. Seine Laufbahn begann der Verstorbene als hoffnungsvoller Arzt, wurde
Hochschulprofessor, oberster Sanitätschef des Königreichs Italien, Leiter des Sanitätsdienstes
der alliierten Heere zu Paris und Vizepräsident des italienischen
Abgeordnetenhauses. Sein ärztliches Wirken war auf die Bekämpfung der Tuberkulose
und der venerischen Krankheiten gerichtet. Ein Zufall, oder besser gesagt
das Schicksal, wollte es, daß im Jahre 1906 seine Aufmerksamkeit auf das ihm
bis dahin fremde Gebiet der Parapsychologie gelenkt wurde. In seinen eigenen
,Familienkreisen erstand ein Medium. Santoliquido stand den Phänomenen (es
% handelte sich um Klopftöne und automatische Schrift) überaus skeptisch gegenüber
und entschloß sich aus reinem Entgegenkommen zu seinem Sohne, an den
Sitzungen teilzunehmen. Die Beantwortung unausgesprochener, bloß in Gedanken
gestellter Fragen, fesselte seine Aufmerksamkeit, und ließ ihn erahnen, daß er
\or neuartige aber umwälzende Probleme gestellt worden war. Sein Interesse
nahm zu, als sich in der Folgezeit die erhaltenen Antworten bewahrheiteten. Als
echter Wahrheitssucher ging er den seiner Weltanschauung und seiner wissenschaftlichen
Ueberzeugung widersprechenden Phänomenen nicht aus dem Wege,
sondern stellte Reihen von Versuchen an, bis er nach jahrelangem Forschen die
Ueberzeugung von der Tatsächlichkeit der okkulten Manifestationen gewonnen
hatte. Erst dann, nach tiefen, vorsichtigen Studien, trat er vor die Oeffentlieh-
keit, um von nun an mit kühler Sachlichkeit seine Kräfte der metapsychischen
Forschung zu weihen. Die kritisch metaphysische Deutung der Phänomologie
lag nicht in seiner Natur, diese überließ er anderen, vornehmlich seinem Freunde
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