http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1931/0196
166
Zeitschrift für Parapsychologie. 4. Heft. (April 1931.)
Wenn aber gekämpft werden muß, so hat es sich, wie ich schon in «einer
Diskussionsbemerkung beim Kongreß ausführte, von jeher als ein mißliches
Binff erwiesen, sich die Geselze des Handelns \on der Gegenpartei \orschreibcn
zu lassen.
Sehe ich \on einer kleinen Gruppe an den Fingern herzählbarer Außenseiter
ab, denen die Diskreditierung parapsychischer Forschung Selbstzweck
zu sein scheint, so gibt es eine andere ungleich größere und bedeutendere
Richtung, die zwar grundsätzlich bereit ist die Erscheinungswelt unseres Forschungsgebietes
und damit dieses selbst als Wissenschaft anzuerkennen, die
aber ihre Anerkennung davon abhängig machen möchte, daß die Erscheinungen
unter den von ihr zu stellenden Bedingungen nachgewiesen werden. Gerade
diesen Weg halle ich aber nicht für geeignet. Denn einmal ist die "Nichterfüllung
dieser Bedingungen kein Beweib gegen die Tatsächlichkeit der Ereignisse
unter anderen Bedingungen, die ihnen besser entsprechen. So ist ein klassisches
Beispiel für die Stellung unerfüllbarer Versuchsbedingungen für ein an sich
mögliches Geschehen der Fall des greisen Kriegsministers Moltke, der sich damit
allerdings auf ein seiner Bedeutung entlegenes Gebiet begeben halle: als
ihn nämlich der Erfinder eines Flugzeuges bat sich auf einem geeigneten
Platze sein Werk vorführen zu lassen, lehnte er dies ab, erklärte aber zu einem
bestimmten Zeitpunkt ans Fenster treten zu wollen; dann könne ja der Erfinder
, wenn er behaupte fliegen zu können, an ihm vorbeikommen. Nun dürfte
die Aufgabe an einem bestimmten Fenster der Großstadt vorbeizufliegen wohl
auch heute noch unlösbar sein, ohne daß die Möglichkeil des Fliegens mit lenkbarem
Flugzeug mehr des Beweises bedarf. Versucht man andrerseits trotzdem
den angedeuteten Weg des Entgegenkommens und sucht den Zweiflern durch
Eingehen auf die von ihnen gestellten Bedingungen die Anerkennung der behaupteten
Phänomene abzunötigen, so erweist sich, worauf es mir zu zeigen
ankommt, dieser Weg als nicht gangbar. Nicht nur werden viele Phänomene
mangels ihrer natürlichen Bedingungen ausbleiben. Treten sie aber trotzdem
ein, so führt der eingeschlagene Weg im Kreise herum. Denn es wird immer
wieder einen Kritiker geben, dem auch die erfüllten Kontrollmaßnahmen nicht
mehr genügen und der eine weitere Verschärfung derselben sich ausgedacht
hat. Sind wir doch bereits so weit, daß die früher übliche Verdächtigung der
Versuchspersonen nicht mehr genügt, sondern daß sämtliche Sitzungsteilnehmer
einschließlich der Versuchsleitung mit einbezogen werden. Schon dies
könnte zu herrlichen Konsequenzen führen. Hat man doch bei Sitzungen,
in denen Materialisationen oder Apporte in Aussicht standen, eine vollständige
ärztliche Untersuchung, besonders weiblicher Medien, sogar einschließlich
Magenausspülung für notwendig gehalten. Noch merkwürdiger ist, daß es sogar
Versuchspersonen gegeben hat, die sich solche Dinge haben gefallen lassen,
ein Beweis ihres wissenschaftlichen Opfermutes und ihres guten Gewissens.
Aber genützt hat ihnen diese Hingabe trotzdem nichts: nicht ein Gegner hat
darum seine Stellungnahme geändert. Und nun denke man sich derartige
„Kontrollmaßnahmen" auf die gesamte Teilnehmerschaft ausgedehnt. WTann
und in welcher Verfassung soll mit der eigentlichen Sitzung dann begonnen*
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1931/0196