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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1931/0244
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Seine Aussage über den Brief habe ich mitslenographiert. Sie lautete
wie folgt:

„Das hat ein Mann geschrieben. Der Mann braucht Hilfe von Ihnen,

Herr Professor......Da bin ich jelzt in einer Gegend, wo es recht flach

ist. sehr eben alles, und wo viele Männer mit langen Röcken herumlaufen.

Es ist manchmal auch recht schmutzig dort1)......Jetzt taucht mir der

Name S.2) auf......Der Mensch kann gegenwärtig nicht so handeln, wie

er möchte. Er ist so hilflos3)......Die Sache, die ... der Brief ... die

Sache, die da handelt, kann schon vier Jahre \orbei sein. Jch sehe Auseinandersetzungen
mit einer Frau, Eifersuchtsszenen, ..... ich sehe entsetzliche

Sachen, mir wird ganz anders. Ist das denn ein Mordversuch? Ich sehe, daß
jemand von hinten überfallen wird."

Man wird zugeben, daß Herr Heißig alles Wesentliche gesehen hat.

Ich hielt mir gegenwärtig, daß es sich bei dieser Leistung um Gedanken-
Übertragung handeln könne. Selbstverständlich aber hegte ich den Wunsch,
das soeben Erlebte durch einen zweiten A*ersuch zu überprüfen. So holte ich
aufs Geratewohl aus einem anderen Akte einen Brief und le^te ihn, in ein
kuverl \erschlossen. Herrn Reißig vor, nachdem dieser sich neuerdings die
Augen hatte verbinden lassen. Fr verfuhr mit dem Briefe so, wie mit dem
vorigen, und sagte dann:

Dieser Brief ist von einer Frau. Sie sollen auch da helfen. Sie ist
durch ein Eieignis» sehr niedergedrückt und hat seelischen Kummer. Sie
möchte gerne mit Ihnen eine Besprechung haben......Sie ist eine liebenswürdige
Frau. Sie »v dl auch gerne gelobt sein......Ich komme jetzt aufs

Land. Dort sind auch Berge. Die Frau ist in einem Landhaus. Der Ort
heißt R.4). Der Brief ist am 3o. Juni geschrieben. Die Frau heißt Josefine."

\uch hier stimmte alles. Der Gatte der Brief schreiberin war verurteilt
worden, und nun ersuchte» sie mich um die Uebernahme seiner Vertretung.
I m Gedankenübertragung kann es sich zumindest bei der Angabe des Brief-
dat ums nicht handeln, weil ich glaubte, der Brief sei schon mindestens
ein Tierteljahr alt.

I m die Leislunpsfähigkeit Heim Reißigs noch weiter zu prüfen, kamen
wir dahin überein, ihm cinrn Brief \or/uiegm, dessen Schreiber und Inhalt
^uns allen unbekannt war. Ich sandte einen Boten /u einem in der Nähe
wohnaidon Fräulein und ersucht« sie um die Zusendung irgendeines an sie
gelangten Briefes. \ueh dieser Brief wmde Herrn Reißig nach neuerlicher
mm sichtiger Terbindung «einer Vugen übergeben, worauf er folgendes sagte:

„Ich sehe Bänder, lauter seidene Bänder. Ich ^ehe breite Bänder, schmale
Bänder, sehr schöne Bänder. Der Brief ist an ein Fräulein Grell geschrieben.

*) Diese Beschreibung paßt auf die Gegend von Warschau. Die Männer mit
langen Röcken sind die vielen dort lebenden Kaftanjuden.

2) Herr Reißig nannte den uanzen Namen der Frau.

3) Die — selbstverständlich unausweichliche — Verurteilung war mit nur
15 Monaten Kerker erfolgt. Am 3. luli 1930 aber befand der Verurteilte sich noch
in Haft.

*) Herr Reißig nannte den ganzen Namen des Ortes.


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