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Zeitschrift für Parapsychologie. 5. Heft. (Mai 1931.)
Parapsychologie des Alltags.
Von Dr. Martin Wagenschein, Oberhambach.
Parapsychische Phänomene geschehen unter ganz gewöhnlichen, nicht
eigentlich medialen Menschen viel häufiger, als es scheint.
Man pflegt ihrer zwar gewahr zu werden, auch darüber zu sprechen; doch
werden sie merkwürdig schnell vergessen.
Viele haben keinen Grund, diese Dinge festzuhalten. Für solche, deren
Anlage der Medialilät nahekommt, sind sie — gerade deshalb — oft selbstverständlich
. Andere, die ihr Weltbild mit Hilfe einer popularisierten Naturwissenschaft
von gestern gerade unter Dach gebracht haben, fürchten, darüber
nachzudenken, und lassen sie gern verdrängen.
Oft gerade feine Menschen, die nur den eigentlich naturwissenschaftlichen
Erkenntnistrieb nicht besitzen, pflegen solche Erlebnisse zwar nicht zu vergessen
, aber für sich zu behalten. Sie wissen um ibre Verbindung mit den
intimen und ehrwürdigen Bereichen der Seele, und sehen keinen Grund, davon
zu sprechen.
Aber auch dem, der solchen Ereignissen nachgeht, entschwinden sie leicht.
Denn selten sind sie von grober, aufdringlicher Einfachheit; sie sind zart und
flüchtig und ihr Eindruck \ erblaßt, sobald die seelische Gesamtsituation, aus
der sie wuchsen, für den Erlebenden nicht mehr aktuell und daher nur schwer
im Gedächlnis zu behalten ist.
Gelingt es aber, alles Wesentliche jedesmal sofort niederzuschreiben, so
können diese leichten spontanen Vorgänge wohl geeignet sein, ein reiches Material
zu geben für die Untersuchung ihres natürlichen llerauswachsens
aus seelischen Zuständen und Bewegungen und damit über ihre eigene Natur.
Das Experiment dagegen — unentbehrlich zwar, solange für manche der parapsychischen
Phänomene die grobe Existenzfrage noch offen ist — stellt immer
einen fremden Eingriff dar, der das freie Spiel der Kräfte stört, wie in kaum
einem anderen Gebiet.
Aus derartigen Erwägungen begann ich vor etwa 2 Jahren die kleinen und
größeren Erlebnisse aufzuzeichnen, die im Kreise meiner Beobachtung „von
selbst" auftraten, in einer, wie ich glaube, ganz durchschnittlichen Häufigkeit
. Ich habe den Eindruck, daß es sich gelohnt hat, und teile deshalb die
wichtigsten dieser kleinen Geschichten hier mit.
* Ich habe den skizzenhaften Stil der Aufzeichnungen, die ursprünglich nicht
der Veröffentlichung, sondern nur meiner eigenen Information dienen sollten
, meist unverändert gelassen, da es mir nicht gelang, bei einer Umarbeitung)
die Lebendigkeit der Situation zu erhalten. Soweit andere als meine eigenen
Aussagen benutzt werden — es handelt sich noch um meine Frau (W.) und
einen Freund (K.) — übernehme ich für ihre Zuverlässigkeit nicht weniger
Garantie als für die meinigen.
1. 21. November 1929.
Vor drei Tagen. Gespräch zwischen W. und mir ^or dem Einschlafen:
„Man müßte mehr Geld haben! Lotterie spielen!" Pause. Wir kommen,
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