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Wagenschein: Parapsychologie des Alltags.
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zu dirigieren. Und da lief ich noch in London herum, mir für mein
weniges Geld etwas zu kaufen, und in einem kleinen Laden kaufte ich Pampelmusen
— und, ja, der Mann halte als besondere Spezialität blau e Pampelmusen!
Und jonglierte so damit!" Wir geben nur Zeichen unserer Spannung.
Zwischen K. und uns war einige Tage \orher von Pampelmusen kurz die
Rede. —
Schriftliche 3Nachweise: Der Stempel ,,blue goose", die Tagebuchnotiz.
Dann erst das Gespräch mit K., das wir beide hatten.
Drei Elemente werden übertragen: Pampelmuse, blau, London (England).
Uebertragung, wie es scheint, von der wachenden W. zu dem schlafenden K.
(London: obgleich diese Komponente dem Sender nicht bewußt gewesen zu
sein scheint).
VI. 3. September 1930. nachmittags.
Träume letzte Nacht im Morgengrauen von Einstein. Er sitzt mir
inkognito gegenüber, freundlich, weich, im grauen schicken Anzug. Tch bin
gerade etwas plump zutraulich zu ihm gewesen und bereue das. Er sagt
dann unvermittelt, wie um mich milde zu strafen: ,,Nicht wahr, Sie finden
doch auch, daß Dostojewski ein Grasaff ist?" Ich bin perplex und antworte
verlegen.
Mittags erzähle ich das W. Sie findet die Frage sehr komisch. Ich wundere
mich sehr, wie ich auf Grasaff komme. Das andere ist verständlich aus einem
Gespräch, das wir am Abend voiher hallen über einen \ufsatz, der Dostojewskis
Idioten, Don Qiüjote und Chaplin \ergleicht. Vielleicht trat Einstein
für den Juden Chaplin ein. Auch habe ich einmal gehört, daß Einstein
Dostojewski sehr liebt. Dagegen habe ich das Wort Grasaff jahrelang nicht
bewußt gesagt oder gedacht. Ich lasse mir dazu allerlei einfallen: Gras, kraß,
grausig, affig; nennt man junge Mädchen Grasaffen?
Eine Stunde später sagt mir WT. triumphierend, daß sie nun weiß, woher
der Grasaff kommt. Sie erzählt: 6regen morgen, noch im Dunkeln, war sie
wach, ging herum, sali auch wie vor dem halbhellen Himmel die Spinne,
die vor ihrem Fenster ihr \etz hatte, \ou unserer Fledermaus im Flug gefressen
wurde, lag dann wach und ,,besuchte" in Gedanken die Menschen die ihr
einmal lieb waren, suchte bie sich vorzustellen. Es quälte sie, daß sie sich
S. nicht vorstellen konnte. Bis es ihr gelang in dem Moment, in dem ihr
einfiel, daß er sie immer Grasaff nannte.
Diese Halbschlaf-Vorstellungen erinnerte sie nicht, als ich meinen Traum
ei zählte, sondern erst eine Stunde später, als sie das Netz der Spinne ansah.
Die Anrede Grasaff bestätigt sich aus alten Briefen. Vor Jahren mag sie
mir davon erzählt haben. Ganz schwache Erinnerung.
Unsere Zimmer liegen nach entgegengesetzten Fronten des Hauses, gelrennt
durch einen Gang und zwei geschlossene Türen. Offene Fenster.
VII. September 1930.
Gestern mittag, als ich nach Hause komme, ruft mir W. vom Fenster zu:
..Sieh doch im Briefkasten nach. Der Briefträger ist, glaube ich, nochmal
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