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Zeitschrift für Parapsychologie. 5. Heft. (Mai 1931.)
Meine okkulten Erlebnisse.
Von Camilla Lucerna, Agram.
Es sind ihrer nicht viele und die meisten sind zweifelhafter oder typischer
Art. Fälle, die man als Telepathie, als Fernwirkung Sterbender anzusehen,
geneigt ist, sind so oft erlebt, beglaubigt, gesammelt, besprochen worden und
ähnliche Phänomene Iraten bei mir in so gewöhnlicher Form oder so leisen
Andeutungen auf, daß ich mir deren Preisgabe ersparen könnte. Tausende von
Zeugnissen ernster und ehrlicher Menschen, denen man weder Frivolität noch
Selbsttäuschung zuschreiben dürfte, liegen für derlei vor. Wer nicht ungläubig
ist, weil er es sein will, sondern kritisch prüfend und sichtend an solche Berichte
herantritt, wird unter den meinigen — so wie ich in G. Flammarions
Sammlungen — mancherlei finden, was durch Vorgänge in einer einzigen
Psyche allein zu erklären und somit aus der Reihe okkult genannter Erlebnisse
auszuscheiden ist. In manchen Fällen wieder hat das Urteil In Schwebe zu
bleiben. Forscher, die hierzu befähigt und willig, die denk- und tatsachen-
kundig sind, die unabhängig von Wunsch und Furcht, von Leichtgläubigkeit,
Sensationslüsternheit, spottlustiger Skepsis, unbeirrt durch vorschnelle oder
alberne Deutungsversuche, Wahrheit und Irrtum zu trennen versuchen: Forscher
dieser Art gibt es heute auch im Bereich des .,Okkulten" und um so
geleiteter Forschungen willen habe ich mich entschlossen, alles Unangenehme,
das den Trägern solcher Sondererfahrungen aus deren Preisgabe zu erwachsen
pflegt, auf mich zu nehmen und alles zusammenzustellen, was mir, einem
einzelnen, nicht medial veranlagten, doch auch nicht unempfänglichen Menschen
, im Lauf eines Lebens an Einwirkungen dunkler Art, die sich auf Sterbende
oder Tote beziehen, begegnet ist. Erst die Vollständigkeil eines solchen
Berichtes läßt den, der ihn prüfen will, etwas von Charakter und Denkart des
Berichterstatters erkennen. Ohne solche Erkenntnis verfehlt und verliert sein
Bericht Zweck und Sinn. Die zweifelhaften und unbedeutenden Vorkommnisse,
die er wiedergibt, aber mögen als Folie für jenes eine ihm unanzweifelbar©
okkulte Erlebnis dienen, dessen Intensität solcher Art, solchen Grades war,
daß er meint, ein zweites von solcher Gewalt nicht überleben zu können. Nicht
seine Psyche — sein Organismus — so fühlt er — ertrüge es nicht.
* Vater und Tochter.
Zweimal, an einem Herbstnachmittage des Jahres 1894, und 1899 an einem
Frühlingsabend, wurde mein Vater vom Schlage gerührt. Das erstemal erlangte
er nach kurzer Zeit Bewußtsein und Sprache wieder. Das zweitemal ließen
ein Zeichen und. auch ein Blick darauf schließen, daß er seine Lage erkannte,
doch trat der Tod, kampflos, zwei Stunden nach Mitternacht ein. Zufällig
war ich, seine einzige Tochter, beide Male von seinem Aufenthaltsorte K. viel
weiter als sonst, viel weiter als es den Eltern lieb war, entfernt. Von
K. nach G., wo ich 1894 berufshalber weilte, brauchte man damals, unvermeidliche
Unterbrechungen abgerechnet, teils mit der Bahn, teils „per Achse",
etwa 33 Fahrstunden, die Luftlinie zwischen K. und G. mag 25o km betragen.
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