Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1931/0267
Lucerna: Meine okkulten Erlebnisse.

233

erkennen konnte. Großmutter sehlief noch. Ich mußte, vielleicht im Zusammenhang
mit einem vergessenen Traum, an Großpapa gedacht haben und
an die Möglichkeil, ein Lebenszeichen >on ihm zu erhalten
, denn ich sagte mir, offenbar um diesen beunruhigenden Gedanken fernzuhalten
, aber physisch völlig angstfrei: „D ie Geister dürfen nicht,
sie dürfen nicht."

Unbeschreiblich ist, was im nächsten Moment geschah. Lautlos, nicht
allzuschnell, aus der Richtung der Salontür, die sich hinter dem Kopfende
meines Lagers befand, mit furchtbar zunehmender Kraft nahte es. Nie
wieder habe ich eine Einwirkung \on ähnlicher Dynamik und ähnlicher Arlj
erfahren. Als würde mein ganzer Körper von einem fremden Elemente durchdrungen
, das Woge auf Woge, vom Wirbel bis zur Sohle durch ihn hindurchflutete
. Es waren Sturzwellen von einer gewissen rhythmischen Gleichartigkeit
. Vom Wirbel begannen sie, vergleichbar — vielleicht — mit der Empfindung
eines bis zu tödlicher Stärke anwachsenden elektrischen Stromes. Es
war keine kurze, stoßweise Erschütterung, es waren mächtige, weitkurvig durch
mich hindurchflutende Wogen.

Ich blieb bei Besinnung. Ganz deutlich empfand ich den Weg, den es
nahm, wie es vom Kopfende meines Lagers, rechts um dieses herum, eher
langsam aL schnell bis an die in der Zeichnung angegebene Stelle glitt1). Wie
auf einem Isolierschemel halten sich meine Haare gesträubt, jedes einzelne
schien mir lebendig geworden. Ich wollte beten: ,/Vater unser, der du bist in
dem Himmel ..Eine Schulzformel, die ich innerlich wiederholte. Ich
konnte nicht weiter, die Forlsetzung fiel mir nicht ein. Ich halte die Augen
geschlossen, meine Lider waren gelähmt. Als es aber innehielt und verweilte,
wollte ich sehen. Endlich golang es mir, die Vugen ein wenig zu öffnen.
Ich hatte eine ganz kurze, nicht sehr starke Lichtempfindung. Zugleich
wich die Kraft, wie sie gekommen war.

Den Charakter höchster Erlebniswirklichkeil, stärkstei Dynamik, den dieses
Ereignis trug, muß ich immer wieuVr betonen. iNie wird man mir, nie werde
ich selbst mir einreden können, daß es sich hier um eine „Einbildung" handle,
um einen ,,Ner\enzusland", dessen \ rsache aus dem eigenen Wesen kam.
Die intensivste Bewußtheil, der ganze Spannungswiderstand eines jugendkräf-
tigen Organismus, diente etwa eine Minute lang — einzig der SelbslerhaÜung
gegen eine elementare Uebermacht. die ihn von außen her überdrang, so daß
kein Begleilgefühl aufkam, auch später nicht. Das Physikalische, das von
jener Gegenwart ausging, war zu furchtbar gewesen, zu sebr an der Grenze
alles Erträglichen, als daß ich die damit verbundene unanzweifelbare
Exislenzoffenbarung einer psychischen Potenz als eine ,,Gunst", ein „Gewürdigtsein
" hätte betrachten können. Ich ging tage- und wochenlang in liefer
Melancholie umher, schien mir auf immer getrennt \on allen übrigen Mem-

l) Die erste Aufzeichnung unä Zeichnung über dieses Erlebnis habe ich vor
etwa 30 Jahren gemacht. Ich wüßte heute nicht mehr mit Bestimmtheit zu sagen,
ob es auch am Kopfende des Divans sekundenlang verweilte, und dann in einem
Winkel nach rechts bog oder gleich die gezeichnete Kurve beschrieb.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1931/0267