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236 Zeitschrift für Parapsychologie. S.Heft. (Mai 1931.)
Daseinsablauf ist nach dieser Weltanschauung eingerichtet. Der frühen Historie
ist sie ebenso gewohnt wie uns selber.
Es ist klar, daß auch jede Geisteswissenschaft dieser Denknorm sich von
ihren Grundlagen an bediente. Ihr Beweismittel ist das Experiment. So
entstand die nach Ursache und Wirkung \erknüpfte Lehre von der Seele: die
Psychologie. Hier hat die Einheit unseies Weltbildes zur Gänze versagt. Gleichen
Voraussetzungen sollten gleiche Wirkungen entsprechen. Aber es blieb
unmöglich, den Ablauf der Denk- und Lebenstüchtigkeit nach mechanistischen
Gesetzen zu erklären. Das Weltbild de.s fq. Jahrhunderts war eine durch
unabänderliche Gesetzmäßigkeit beherrschte Mannigfaltigkeit. Aber überall
fiel der Gegensatz zwischen toter und lebendiger ?"*atur ins Auge. So spaltete
sich jede Wissenschaft, die seelische Phänomene auch nur berührte. Die Psychologie
selber zerfiel in eine spekulative und eine experimentelle Richtung. Die
Biologie spaltete sich in vitalistische und mechanistische Schulen. Die letzteren
gingen \on den Tatsachen körperlicher Wandlungsfähigkeit aus, die ersteren
von den Urtatsachen des Leben« selber. Theoretische und praktische Ergebnisse
haben nun dazu geführt, unsere Naturwissenschaft in ihren Fundamentalan-
schauungen gründlich zu revolutionieren. Die itomphysik, im Gegensatz zur
makroskopischen, hat uns einen Mikro-Kosmos zur Anschauung gebracht, der
andern Gesetzen gehorchte. Als man diese festzulegen begann ergab sich,
daß kein kausaler Mechanismus dahinter erkennbar war. Die Quantenphysik
formuliert ihre Gesetze nicht mehr streng kausal, sondern als unendlich große,
statistische Wahrscheinlichkeit. Damit erhielt aber die Einheitlichkeit der
exakten Wissenschaft selber einen Stoß. Makro- und Mikrophysik zeigten Gesetzmäßigkeiten
, die nach alter Anschauung nicht mehr parallelisiert werden
konnten. Versuche ergaben, daß die Materie inhomogen ist. In dei Bewegung
ihrer kleinsten Teilchen treten I nstimmigkeiten auf, die keinem Gesetz gehorchen
. Die Ph>sik von heute und morgen, die Quantenphysik, ist das erste,
transkausale, physikalische Sutern. Wenn es aber transkausale Mannigfaltigkeiten
gibt, dann sind auch präkau^ale denkbar, solche, die noch nicht kausal,
nur auf dem Weg zum kausali>mus liegen, wie sie in einem dynamischen, sich
entwickelnden, nie abei in einem statischen, schon zu Ende entwickelten Weltbild
denkbar wären.
Die neue Physik interpretiert wohl, aber sie ,.erklärt" nicht mehr. Ihre
Gesetzmäßigkeiten erzeugen eine Imponderabile: Wahrscheinlichkeit. \lle Vus-
nahmen f*mes Regelzustandes sind hierdurch yerständlich gemacht. Denn Wahrscheinlichkeit
ist eine ,,flaxierte" Kausalität. In ein^r transkausalen Physik
aber versagen Deduklions- wie Induktionsmethoden in gleicher Weise. Das
Phänomen als solches tritt in sein Recht.
Diese Ergebnisse sind wesenhaft vom Standpunkt der Parapsychologie.
Diese, in ihrer Methodik, ganz aus der kausalen Physik herausgewachsen, hat
auch deren Arbeitsmethoden streng befolgt, da diese ihr aber inadäquat sind,
bisher kein System zu entwickeln vermocht. Zwischen der Methodik der Quantenphysik
aber und der Parapsychologie besteht kein prinzipieller Gegensatz
mehr und so erscheint nun auch diese Wissenschaft im Rahmen der .,exakten"
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