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Zeitschrift für Parapsychologie. 6. Heft. (Juni 1931.)
Wir machten nun auch an diesem Abend, obwohl es nach unserer langausgedehnten
Unterhaltung schon eine etwas vorgerückte Stunde war, den Versuch
, Frau N.s Medialität zu prüfen. Wir hatten um einen kleinen Tisch, der
zu Fußenden der Betten zwischen diesen und den beiden an der gegenüberliegenden
Wand stehenden Schränken sich befand, Platz genommen. Der über
diesem befindliche elektrische Leuchter wurde ausgelöscht und nur eine Nachttischlampe
am Kopfende der Betten eingeschaltet, deren Schein durch überhängte
Tücher noch abgedämpft wurde. Wir bildeten Kette, indem ich zur
Linken und der Ehemann zur Rechten von Frau N. saßen und dieser g;egen-
über Herr Dr. König. Alsbald verfiel FrauN. in ein heftiges konvulsivisches
Zucken, zunächst der Hände und Arme, dann des Kopfes und Oberkörpers.«
Darauf verfiel sie in einen dem Tiefschlaf ähnlichen Trancezustand und legte
den Kopf vornüber auf die Tischplatte. Auf die von dem Mann ungjarisich
gestellte Frage: „Warum bist du so lange nicht unter uns gewesen?" erfolgte
seitens des Mediums die ebenso gegebene Antwort: „Ihr Schwachen! Sie
fürchtet für ihr Kind." Alsbald verschlimmerte sich der Trancezustand derartig
, daß sie sich wild nach hinten überwarf, wobei sie vom Stuhl zu fallen
drohte. Ich sprang auf und schob ihren Stuhl beiseite und legte s:e behutsam
nach rückwärts nieder auf den Boden des Zimmers. Hier lag Frau N. einige
Zeit ruhig, wobei sie nur unverständlich leise ungarische Worte von sich gab.
Sie knirschte mit den Zähnen und biß den Mund zusammen. Wir hielten es
angesichts dieser Situation und des Zustande« der Frau für zweckmäßig, keine
weiteren Versuche mehr zu machen, sondern die Sitzung baldmöglichst zu
beenden. Wir redeten ihr gut zu und nach einiger Zeit kam sie wieder zu
sich, worauf wir sie auf ein Liegesofa betteten. Nach dem Vorgang und ihren
getanen Aeußerungen befragt, wußte sie von alledem nichts mehr.
Bezüglich der Familie und ihrer Vorgeschichte wurde uns bei der nachfolgenden
Unterhaltung noch mitgeteilt, daß Frau N. in vieler Beziehung ihrer
Mutter ähnele. Frau N. wurde von ihrem Mann und von sich
selbst hinsichtlich ihrer Sexualität als durchaus frigide
bezeichnet, ein Zustand, unter dem der Ehemann sehr litt, und der ihn
zu Anfang der Ehe aus Enttäuschung über die gewonnene Erkenntnis zu Schlägen
gereizt habe. — Die Frau gab an, daß sie hierin genau ihrer Mutter gleiche,
die ebenso frigide veranlagt gewesen war. Sie habe einen Bruder von 14 Jahren,
der als sehr nervös geschildert wurde, und eine Schwester von 19 Jahren, die
an Bksedow-Krankheit leide. Sie selbst sei vor zwei Jahren (also 1926), als
sie zum erstenmal schwanger war, an Veitstanz erkrankt, und habe mit Kopf
und Händen geschüttelt. Ein Bruder ihres Mannes, der Arzt sei, habe damals
im dritten Monat der Schwangerschaft diese unterbrochen und eine Frühgeburt
herbeigeführt, da sie unter ihrem Zustand außerordentlich litt und die
Gefahr einer in zunehmender Schwangerschaft fortschreitenden Intoxikation
nicht als ausgeschlossen erachtet werden konnte.
Nachdem wir uns mit Herrn N. noch etwas über seine kommunistische
politische Einstellung unterhalten hatten, wobei er uns mehrere, meist deutsche
Werke seiner Bibliothek vorzeigte, erklärte er uns, daß er durch seine durch-
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