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Stinner: Beitrag zur Frage d. Zusammenhangs zwischen Hysterie u. Mediumismus. 273
aus materialistische Weltauffassung zunächst den Angaben und Erlebnissen
seiner Frau äußerst verurteilend gegenüberstand, daß er jedoch heute gern
bereit sei, sich belehren zu lassen, und daß er trotz seines bisher ablehnenden
Standpunktes durchaus willig sei, okkulte, ja selbst spiritistische Erlebnisse
kennenzulernen und zu prüfen. Wir fanden diese Auffassung angesichts der
zweifellos intellektuellen Begabung des Herrn N. und zum Zwecke der Nachprüfung
seines philosophischen Systems sehr wertvoll. Da es inzwischen spät
geworden war, fuhren wir in ein Cafe-Restaurant des Ortes, wobei Frau N.
neben Herrn Dr. König in dessen Auto Platz nahm, während ich mit Herrn N.
zu Fuß ging. Während dieser kurzen Fahrt gelang es Herrn Dr. König, durch
Ausfragen der Frau N. die nochmalige Bestätigung ihrer absoluten
sexuellen Frigidität zu erzielen. Sie bestätigte hierbei die durch die
Enttäuschung des Mannes zu Anfang der Ehe erlebten schlimmen Szenen, und
betonte, wie sehr sie selbst unter diesen Zuständen seelisch leide. Sie selbst
entbehre zwar hinsichtlich des Sexualverkehrs nichts, da sie ja für ihre, wie
sie wohl wisse, anormale Veranlagung nichts könne, und ein anderes Empfinden
nicht kenne. Es wurde von ihr bestritten, früher als Mädchen je ander9
empfunden zu haben, wobei sie nochmals auf die gleiche Veranlagung der
Mutter hinwies. Eine sexual-geschlechtliche Hinneigung zum weiblichen Geschlecht
wurde durchaus von ihr in Abrede gestellt.
In einer mitternächtigen Plauderstunde hatten wir alsdann noch Gelegenheit
, die Erlebnisse dieses Abends und den ganzen „Fall", der uns sowohl als
Aerzto wie auch parapsychologisch sehr interessierte, zu erörtern. Vor unserem
bescheidenen Gasthof verabschiedeten wii uns von dem jungen Ehepaar, das
sich für unseren Besuch sehr dankbar zeigte, und fuhren am andern Morgen
nach Wien, und dann der Helmut entgegen.
Seil diesem Besuch sind nun zwei Jahre vergangen, und von Zeit zu Zeit
erkundigte ich mich bei Herrn Professor Szanto nach dem Befinden der
Frau N., besonders nach dem Ablauf der Schwangerschaft, nach der Entbindung
, und nach der hierdurch eventuell erfolgten Umstellung des Organismus
.
Ich erfuhr dabei, daß die Frau im Februar 1980 normal entbunden habe,
und daß das Kind gesund sei. In seinem letzten Briefe vom 22. Februar d. J.,
also ein Jahr nach erfolgter Geburt des Kindes, bestätigt Herr Professor Szanto
die bisherige Besserung im Befinden der Frau und schreibt wie folgt:
„Da ich von den Eheleuten keine Antwort erlangen konnte, wandte ich
mich an einen dortigen bekannten Kollegen, Professor am Realgymnasium,
welcher, wie ich wußte, bei den Eheleuten N. verkehrt. Mit diesem Kollegen
sprach ich später auch persönlich. Er versicherte mir aufs bestimmteste, daß
sich der Nervenzustand der Frau seit der Entbindung ganz auffallend verbessert
hat, und daß dies auch von Herrn N. bestätigt wurde (also keine Depressions-
zustände, keine hysterischen Anfälle usw.). Bezüglich der Frigidität konnte
ich leider nichts in Erfahrung bringen. Die paranormalen Erscheinungen sind
abgeklungen."
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