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Kleine Mitteilungen
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hinaus, daß zuweilen Dinge von ihr veröffentlicht würden, die strenger Kritik
nicht standhalten, so z. B. eine angebliche Vorahnung im Februarheft 1931 des
S. P. R.-Journais. Ich glaube, daß Dingwall in einzelnen Fällen recht hat, aber
praktisch wird sich eine noch strengere Haltung als die der gegenwärtigen
S. P. R. kaum durchführen lassen, wenn schon die nach Dingwall zu laxe Haltung
der Gesellschaft zu den schwersten Erschütterungen infolge weitgehender Verstimmung
der Positivisten geführt hat. Die anderen Klagen Dingwalls gegen die
S. P. R.-Leitung betreffen angeblich inkorrektes Verhalten derselben in einzelnen
Fällen; wir können diese Interna nicht beurteilen und berühren sie daher nicht.
Dingwalls, der Generalversammlung vorgelegte, Resolution lautet: „Die Versammlung
beobachtet mit großen Bedenken die Abnahme des Ansehens der
S. P. R. in England wie sonst in der Welt; die Versammlung ist daher der Ansicht
, daß eine Veränderung in der Verwaltung der S. P. R. wünschenswert ist."
Die auch von Röthy — im Grunde ein Antipode Dingwalls — unterschriebene
Resolution wurde mit überwältigender Mehrheit gegen nur 7 Stimmen abgelehnt
. Sowohl Röthy als Dingwall bleiben übrigens Mitglieder der S. P. R.,
während Bradley schon vor der Generalversammlung austrat.
Obgleich die S. P. R.-Leitung auf der Generalversammlung unstreitig gesiegt
hat, läßt sich doch eine große Unzufriedenheit bei vielen Mitgliedern nicht verkennen
; anders kann man es (auch unter Berücksichtigung der gegenwärtigen
ökonomischen Krise) nicht erklären, daß im Jahre 1930 von etwa 1000 Mitgliedern
nicht weniger als 84 aus der S. P. R. austraten; da den 84 Austritten nur
39 Neuaufnahmen gegenüberstehen, ist ein Reinverlust von 45 Mitgliedern in
einem einzigen Jahr zu buchen; ich zweifle nicht, daß es sich dabei im wesentlichen
um verstimmte Positivisten handelt.
Daß andererseits die Haltung der S. P. R. keineswegs allgemein mißbilligt
wird, zeigt neben dem Ergebnis der Generalversammlung ein in der Versammlung
verlesener Brief vol Professor Driesch; die wichtigsten Stellen des Briefes
lauten:
„Die Londoner S. P. R. ist nicht nur die älteste, sondern auch die angesehenste
aller rjarapsychologischen Forschungsgesellschaften. Dies ist meine persönliche
Ueberzeugung, welche mit derjenigen alier an der Parapsychologie in kritischer
Weise interessierten Kreise übereinstimmt. Jen betrachte es als eine große Ehre,
Präsident der S. P. R. gewesen zu sein, und ich weiß, daß alle ausländischen
Gelehrten, die Präsidenten der S. P. R. waren, ebenso denken. Wenn die Parapsychologie
wirklich wissenschaftlich sein will, muß sie stets den alten Grundsatz
der Scholastiker beachten: entia non sunt creanda praeter necessitatem. Mit
anderen Worten: die Parapsychologie muß langsam und sehr sorgfältig vorgehen;
denn unser Gegenstand ist der schwierigste und verwickeltste aller Gegenstände
der Wissenschaft. Ich wiederhole, was ich auf dem Athener Kongreß sagte: Es
ist besser 99 echte Fälle mangels guter Bedingungen zu verwerfen, als einen einzigen
Fall für echt zu erklären, der auf Betrug beruht. Wir haben stets zwei
Klassen von Gegnern: die heute wenig zahlreichen dogmatischen Skeptiker (sie
erklären die okkulten Phänomene für unmöglich. L.) und die „Gläubigen", die
zweite Klasse ist die gefährlichere." (S. P. R.-Journal 1931, S. 59.)
Gewiß bedeutet Professor Drieschs Votum eine starke Stütze für den
Standpunkt der Dubitivisten oder der „streng kritischen Parapsychologenschule",
aber das beseitigt nicht die schweren Gegensätze in unserem Lager, die ein gemeinsames
Weiterarbeiten sehr erschweren; Dubitivisten und Positivisten —
beide Parteien zerfallen in zahlreiche Untergruppen — halten sich gegenseitig
für Schädlinge, die die Forschung hemmen. Der Dubitivist glaubt zwar an das
Vorkommen okkulter Phänomene; doch hält er namentlich auf paraphysischem
Gebiet die Arbeiten vieler Positivisten für wertlos, weil diese die seiner Ansicht
nach notwendigen Sicherungsmaßnahmen, ohne die er auch beim erprobtesten
Medium kein Phänomen gelten lassen will, oft vernachlässigen und ihm zuweilen
so voreingenommen scheinen, daß sie sogar (für den Dubitivisten) handgreiflichsten
Betrug nicht sehen oder alsbald durch eine okkulte Erklärung zu beseitigen
suchen. Die Positivisten umgekehrt werfen den Dubitivisten vor, daß sie längst
gesicherte Tatbestände in lächerlicher Verblendung und aus Mangel an Erfahrung
immer wieder in Frage stellen und so die Forschung lahmlegen.
Solche Gegensätze führen oft zu erbitterten Polemiken, die selbstverständlich
jeweils keinen der Gegner überzeugen und nur die Entfremdung welter steigern.
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