http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1931/0411
Buchbesprechungen
" 36S
und dem Entstehen einer neuen, gesünderen Einstellung diesen Dingen gegenüber
in der neuen Generation auseinandersetzt. Dies hat ihm in seiner Heimat viel
verständnislosen Tadel eingetragen (wohl weil manche Kritiker selbst einer
Psychoanalyse bedürften!). Was Larsen auch hier wieder erstrebt und verficht,
ist die Durchdringung auch des Alltäglichen und Triebmäßigen mit dem Göttlichen
, Heiligen, ähnlich wie dies etwa der Philosoph Ludwig Klages in seinem
„Kosmogonischen Eros" fordert. Der „Rausch", den Anker Larsen ablehnt, ist
das seelenlose Sich-Betäuben im Sinnengenaiß, aber auch die weitflüchtige
Ekstase, in der das Sinnlich-Irdische verleugnet und zurückgestoßen statt durch-
• göttlicht und geheiligt wird. Im Mittelpunkt steht u. a. die Gestalt eines feinfühligen
religionsphilosophischen Forschers, der mit ans Mediale grenzendem
Einfühlungsvermögen das zu erleben vermag, was in anderen vorgeht. Dieses
Einfühlungsvermögen ist sein Glück und sein Unglück: er lernt mit seiner Hilfe
die ekstatischen Versenkungszustände orientalischer Weisen kennen, verliert sich
aber später durch allzu ungehemmtes Mitschwingen beim Erleben und Leben
seiner etwas veräußerlichten Frau an die WeM des mondänen Flirts und der
hohlen Geselligkeit. Nur in seiner Tochter bricht sein eigentlicher, reiner Seelenkern
wieder durch: was den Eltern „eine verbotene Frucht war, zu der sie
sich heimlich schlichen, sind für sie faule Aepfel, die sie nicht haben mag". Und
auch ihre Freundin erlebt die tiefste, über alles zeitliche Leben auf Erden hinaus
in der Ewigkeit bestehende Verbundenheit mit einem Menschen, den sie liebt. —
Jedem, den das seelenlose Getriebe im „Liebes"leben unserer Zeit anwidert, der
nach einem höheren reineren Standpunkt diesen Dingen gegenüber sucht, wird
dieses Buch Anlegung und Bereicherung geben. Dr. Gerda Walther.
Dr. Max Pulver, „Symbolik der Handschrift". 291 Seiten mit 179 Handschriftenproben
. Orell-Füssli-Verlag, Zürich und Leipzig 1931. Geh. RM. 9.60, geb.
RM. 12.—.
Schon der Titel dieses Buches weist auf eine durchaus neuartige Methodik
hin, die sich durch die ihr zugrundeliegende Geisteshaltung ohne weiteres vom
Althergebrachten unterscheidet. Symbolik in der Graphologie? Die Zusammenstellung
macht zunächst stutzig; denn was hat das Transzendente, dessen bildliche
Darstellung das Symbol ist, in einer streng empirisch verfahrenden Wissenschaft
zu suchen, die mit Fakta, mii realen Gegebenheiten zu tun hat? Blickt man
aber mit Puher tiefer in den Sinnzusammenhang, so erkennt man unschwer, wie
berechtigt, fast möchte man sagen wie notwendig diese neue Betrachtungsweise
ist. Ihr Wesen wird sofort klar, wen# man sieht, wie der Verfasser die Labilität,
die schwankende Differenzierung eben der graphologischen und damit charak-
terologischen Momente nachweist, die man bisher mehr oder weniger als starr
ansah. Der „Wesensgehalt" des Menschen kann nach Pulver nur als ein einheitliches!
Ganzes verstanden werden, das seinerseite aus Spannung-Entspannung, aus Trieb
und Hemmung, aus der Summe von Polaritäten besteht. Es gilt darum streng
genommen nicht mehr die „Eigenschaften" der alten Schule zu umschreiben,.sondern
vielmehr das Kräftespiel aufzuzeigen, in dem die Eigenschaften erst Sinn
und Wert erhalten. Der Signifikator eben dieser Zusammenklänge ist aber das
Symbol. — Wenn die Parallele erlaubt ist: Pulver lehrt — wie Sindbad in der
Astrologie — die Teile erkennen und dabei vor allem das Ganze betrachten. Es
mag sein, daß seine Methode,etwas schwieriger als die der alten Schule ist; dafür
liefert sie aber auch Totalbilder, die wirklich auf gründliche psychologische
Fundierung Anspruch erheben können. Aus dieser Einstellung ergibt sich auch
das Ziel: „Wir konstatieren, um zu verstehen, nicht um zu Gericht zu sitzen.
„Uebrigens kann man auch kaum zu einem anderen Schluß kommen; Pulver hat
viel zu gründlich auf die Vieldeutigkeit einer Schriftprobe hingewiesen, als daß
man noch ohne weiteres aus Einzelheiten zu den bekannten Feststellungen z. B.
des sozialen oder asozialen Typus gelangen könnte. Erfüllt von der großen Verantwortung
, von der jede Schriftanalyse getragen sein sollte, dabei streng wissenschaftlich
und doch allgemeinverständlich, das sind die Leitworte, unter denen
dieses Buch sich bestimmt, und zwar in sehr vielem bahnbrechend, durchsetzen
wird. Prübusch, Berlin.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1931/0411