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„Automatic Writing". Von Dr. phil. et med. Anita Muhl (Automatisches»
Schreiben.) Th. Steinkopff Vorlag, Diesden 10*0 211 S. 20 teilweise farbige
Abbildungen. Preis geb. M. 10. —.
Die Verfasserin, eine amerikanis:he Irrenärztin, hat den interessanten Versuch
gemacht, ihre Patienten automatisch schreiben /u lassen, um auf diese Weise
verdrängte Komplexe aus dem Unterbewußtsein empotzuheben, die infolge bestehender
Hemmungen auf andere Weise nicht oder nur sehr schwei zugänglich
waren. Auch automatische Zeichnungen mit symbolischem (iehalt kamen auf
diese Weise zustande. Manchmal schrieben beide Hände zugleich, und zwar
Verschiedenes mit verschiedener Schrift, die Schreibenden mußten gewöhnlich
laut \ oi lesen wahrend sie schrieben, manchmal sahen sie zugleich in Glaskugeln
(„Kristallsehen44) und mußten das Gesehene diktieren, das gleichzeitig
automatisch geschiiebene erläuterte meist das Gesehene, wahrend die Patienten
im Wachbew ußtseiu gewöhnlich nichts damit anfaulen konnten. Verschiedentlich
meldeten sich Persönlichkeitsspaltungen und gaben Auskunft über Konflikte
der Patienten. Interessant ist, daß sie dabei mitunter Erinnerungen zu reproduzieren
\eimochten, die bis in* erste und zweite Lebensjahr zurückreichten und \on
den Eltern usw. bestätigt wurden. Das zutage geförderte Material zerfiel in:
l rinm rungen gleichgültiger oder konfliktbehafteter Natur; philosophische, morali-
sieiende oder icligiose Betrachtungen und freie Phantasien, wie Erzählungen,
Märchen usw., die teilweise literarischen Wert hatten und veröffentlicht wurden
Letztere sind teilweise otfenbar lediglich ein Ausdruck der Freude am Fabulieren,
entspiechen audereiseits aber auch Wunscherfullungen (Kindel schildern „das
Land ohne Du-sollst-nicht'4 [don'tless land] usw.), od» r verleihen asozialen,
krimin« Hon Tendenzen ein Ventil (Schauergeschichten usw.). Die Verfasserin
warnt davor, sich diesen Phantastereien vorbehaltlos und imb^neirscht ni überlassen
, di sie zur Wirklichkeitsflucht \erleiten. In diesen Sinne sei d;>s automatische
Schreiben gefährlich, wahrend es rechtig geleitet viel Gutes stiften
könne Verfasserin glaubt nicht, an spiiitistische Offenbarungen diu eh automatisches
Schreiben, Zeichnen usw , alles, was ihr zu Gesicht gekommen sei. lasse
sich durch das Unterbewußtsein erklaren. Jedenfalls ist das Buch auch für
anders orientierte Paiaps>chologen lesenswert, weil es- zeigt, wie viel rein auf
unbewußte Komplexe /uruckfuhrbar ist und wie produktiv diese sein können.
1 ine Finleituiig ubei das lJnteibewußtsetn und das Wesen der Verdiäm»ung macht
das Buch auch für den psychiatrischen Laien veiständlich. Dem Ps\ciliarer und
Psychotheiapeuttn ei öffnet sich eine neue, fruchtbare Behandlungsmethode
Interessant ist, daß auch Schizophrene, deren Oberbewußtsein völlig ksoiienüert
schien, mittels automatischer Schrift völlig richtige Auskünfte gaben Dem Buch
Kt w eiteste Verbreitung zu wünschen. Dr Gerd a W a 11 h e l
Druckfehlerberichtigung.
Durch ein Versehen des Setzers sind im vorigen Hefte die Sitzungen mit
Stanislaw a P ins vorige Jahr daticit voiden, wählend m Wirklichkeit
^unsere Mitteilung t>ich auf den bereits im Jahie 1025 hier in Borlhi stattgehabten
Besuch bezog. Fs wäre zweifellos kaum zu einer Finladung nach Paris mit äet
dort geschehenen Entlarvung gekommen, wenn wir damals ein internationales
Komitee gehabt hatten, das die Experimentatoren der verschiedenen I inder durch
einen Meinungsaustausch auch übet derartige, noch nicht v eiöffentlichte Be
trugereien und ihre VenJache-gründe auf dem Laufenden hält Der dahingehende
Antrag Salters in Athen (vgl. Lambert, Z. f P. letztes Juniheft, S 20*)
geht vielleicht etwas zu weit, enthält aber einen brauchbaren Kein, auf den bei
dem bedauernswerten Mangel einer großen internationalen Gesellschaft — wir in
Deutschland haben es ja leider bisher noch nicht einmal zu einer großzugigen
I andesorganisation gebracht1 hiermit hingewiesen sei. Sunner
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