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Zeitschrift für Parapsychologie. 8. Heft. (August 1931.)
Stanislava P. ist kürzlich in Paris entlarvt worden, und sie hat auch
ihr Verhalten eingestanden, mit der Einschränkung, daß dies gewiß das erstemal
gewesen sei. Herr Dr. Sünner hat nun durch den Bericht darüber Anlaß
genommen, über Versuche mit diesem Medium in meinem Hause und nachträglichen
artistischen Parallelversuchen des Dr. von Rutkowski (bei Di\ Kronfeld
) auf Seite 3o2 des Juniheftes iq3i der Zeitschrift £ür Parapsychologie
zu berichten. Dazu möchte ich nun einiges sagen:
Gewiß ist es ein Verdienst Dr. v. Rutkowskis, sich in der Richtung der
trickmäßigen Nachahmung der Phänomene \on Stanislava P. bemüht zu haben.
Aber so ganz und gar ist damit das Medium, selbst im Zusammenhang mit dsr
Pariser Entlarvung, nicht erledigt, und es wäre bedauerlich, wenn mit dem
Unterlassen jeder feineren Sondierung der Gesamtleistung dieses Mediums
auch echtes, wissenschaftliches wertvolles Material in den Müllkasten wandern
würde. Das will auch gewiß Dr. Sünner nicht, und es ist unsere Pflicht, das
Material zu prüfen und auszuwerten. Dies bezieht sich besonders auf das
Teleplasma. Ich habe nicht die Absicht, eine Ehrenrettung des Mediums hier
zu versuchen oder gar die Pariser Entlarvung abzuschwächen, obwohl ich den
Standpunkt kenne, der ein Medium so auffaßt, daß es bisweilen selbst nicht
weiß, ob es betrügt, weil es von Komplexen-(GeisternP) geleitet wird1), oder
daß es im Trance gar die gefesselten Hände auf okkulte Weise frei bekommt
und — vom Blitzlicht überrascht — sich dann selbst als Betrüger sieht. Das
sogenannte ,,entfesselte Medium" ist ursprünglich ein mediales Phänomen, es
wurde erst nachträglich trickmäßig nachgemacht. Durchdringung der Materie!
Vgl. die Zöllnerschen Ringe, das Rudloff-Vollhartsche Reifenphänomen, sowie
die neue Cordon-Veri-Leistung, Ausziehen des Rockes bei kontrollierten Händen.
Was nun Stanislava P. betrifft, so mag sie richtiggehend betrogen haben, vielleicht
nicht nur einmal, sondern viele Male. Selbst wenn wir das akzeptieren:
Stanislava kann aber trotzdem auch echte Phänomene gehabt haben und sie
kann von Haus aus ein echtes Medium sein. Das Urteil ergibt sich aus dem
Gesamtbild ihrer Phänomenik und aus ihrer Biographie.
Ihre Mediumschaft begann in jungen Jahren, als sie noch ein Backfisch
war.
In ihren Pubertätsjähren starb plötzlich eine geliebte Jugendfreundin.
l5e Tote erschien ihr, und von diesem Tage an zeigten sich bei ihr spontane
telekmetische und teleplastische Phänomene, die dann später erst in Sitzungen
beobachtet und kultiviert wurden. Ich bin fest davon überzeugt, daß einige von
diesen Phänomenen auch später und auch solche, die bei meinen Versuchen im
Jahre 1926 auftreten, echt waren; wenigstens die teleplastischen. — Etwa
zwei Jahre danach heiratete Stanislava P. wieder und es ist möglich, daß
damit (wie bei Eva G. und bei St. T.) die mediale Energie sich selbst neutralisierte
und verscholl. Ich experimentierte mit St. P. im Januar und Februar
192J sechs Wochen lang in meiner Wohnung. Während der Sitzungen brannte
*) Medien waren nach „Entlarvungen* in ihrem Vertrauen in die „Geisterwelt
" derart katastrophal erschüttert, daß sie Schwermutszustände bekamen und
dem Selbstmord nahe waren.
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