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Buchbesprechungen.
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Freilich wird man aus dem Folgenden ersehen, daß zu vorzeitigem Triumph
noch nicht die geringste Veranlassung besteht. Auch Bavink ist durch die
lange Negation alles Okkulten beeinflußt; denn ohne diese Annahme bleiben
manche Wertungen des sonst so wohlunterrichteten und keineswegs voreingenommenen
Forschers einfach unbegreiflich. Immerhin stellt er gelegentlich
(S. 490) fest, daß der Panpsychismus durchaus diskutabel sei, da er „nach dem
gesamten Bestand der biologischen, psychologischen (auch tierpsychologischen)
und okkultistischen Forschung bereits in so weitem Maße" gestützt werde.
Bavink teilt die Parapsychologie in fünf Hauptgruppen ein. Zur
ersten rechnet er im wesentlichen Hypnose und Suggestion, Kryptomnesie und
Kryptästhesie und Persönlichkeitsspaltung, zur zweiten Telepathie, Hellsehen,
Psychometrie und Prophetie. Als dritte Gruppe nimmt er dann die paraphysikalischen
Erscheinungen an, wie Teleplastik, Telekinetik und Spuk, als vierte
die Astrologie „und ähnliche kosmologische Geheimwissenschaften" wie auch
die sogenannten spiritistischen Phänomene Unter der fünften Gruppe faßt Bavink
die Theosophie und Anthroposophie zusammen. Ziemlich unhöflich bemerkt
er, daß von hier aus ein unmittelbarer Zusammenhang zur ersten Gruppe,
besonders zur Schizophrenie zurückführe.
Es ist hier nicht der Ort, auf die Berechtigung dieser Einteilung einzugehen;
doch möge zur Richtigstellung eines direkten Irrtums festgestellt werden, daß
erstens die Astrologie keine Geheimwissenschaft ist, und daß zweitens die
Parapsychologie mit der Theosophie und Anthroposophie recht wenig oder
genauer gar nichts zu schaffen hat. Von der Realität der Phänomene der
ersten Gruppe ist Bavink im großen und ganzen überzeugt; ebenso bei denen
der zweiten Gruppe, wobei er sogar recht ostentativ von Moll und Bruhn als
von jenen „Unentwegten" abrückt, die, obgleich eigentlich schon geschlagen,
die ältere Position zu halten suchen. Ziemlich ausführlich und durchaus positiv
bespricht er dann die Leistungen von Frau Piper und geht auch auf Baerwald
ein, der bekanntlich auch das zeitliche Hellsehen als mehr oder weniger telepathische
Leistung ansieht. Es verdient Beachtung, wie sorgfältig der Verfasser
diese Theorie als ungeeignet zu erweisen sucht und seinerseits mehr an echtes
Hellsehen zu glauben geneigt ist.
Wenn man bis jetzt in großen Zügen zustimmen konnte: die Art, in der über
die paraphysikalischen Erscheinungen gesprochen wird, fordert unbedingt zum
Widerspruch heraus. Es geht doch wohl nicht an, von der „trüben Vorgeschichte
" von Willi und Rudi Schneider und von der „notorisch oft bewiesenen
Kritiklosigkeit und Voreingenommenheit ihrer „Erforscher (wie Schrenck-
Notzing)" zu sprechen. Es ist einfach unverständlich, wie man zu einem solchen
Urteil nach dem Studium der Forschungsergebnisse Schrencks kommen kann,
die er nach Einführung elektrischer Hnd anderer Kontrollen erzielte. Dasselbe
gilt natürlich auch für die — bekanntlich völlig haltlose und durch nichts zu
erhärtende — persönliche Verunglimpfung der Gebrüder Schneider. Bavink
unterliegt hier der bekannten „Kontrollpsychose", wenn er photographische,
kinematographische und andere Kontrollen „eventuell auch mit unsichtbarem
Licht" fordert, die — wie ihm die von ihm selbst angezogene Spezialliteratur
eigentlich hätte beweisen müssen — schon oft genug, neuerdings fast regelmäßig,
und zwar ohne Beeinträchtigung der Leistungen angewandt wurde.
Es will etwas heißen, daß der Verfasser sich zu dem Glauben bekennt,
an den sogenannten Spukerscheinungen, Phantomen und Spontanphänomenen
könne „etwas dran sein"; gibt es doch sogar verschiedene Parapsychologen,
die diesen Phänomenen recht skeptisch gegenüberstehen. Freilich, das Fazit:
non liquet.... Bavinks Kritik der Theosophie, der Anthroposophie und der
kabbalistischen Mystik muß hier übergangen werden; denn diese Gebiete gehören
wirklich nicht zur Parapsychologie. Da also schon eine unrichtige Grundeinstellung
vorliegt, können Fehlurteile nicht verwundern.
Fassen wir zusammen: Urteile, denen man keineswegs zustimmen kann,
die aber zum Teil diskutabel sind und die, mögen sie auch im einzelnen noch
so unbefriedigend sein, doch zu der Feststellung nötigen, daß der jahrzehntelange
Kampf der Parapsychologie um ihre wissenschaftliche Anerkennung endlich
Erfolge zu zeitigen beginnt. Man muß sich um so mehr wundern, daß gerade
eine doch auf größter Sachlichkeit, um nicht zu sagen Nüchternheit, aufgebaute
, der „Unzuverlässigkeit menschlicher Sinnesorgane" völlig entzogene
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