http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1931/0474
418 Zeitschrift für Parapsycbologie. 9. Heft. (September 1931.)
legentlich auch die des eigenen Leibes einzuordnen: die Wahrnehmung des
eignen Leibes von einem durchaus andern Blickpunkt aus und zugleich
die perspektivisch natürliche Einordnung dieses Leibes in seine tatsächliche
nächste Umgebung von jenem neuartigen Blickpunkt aus — ist eine völlig
neue Sache und unvergleichbar mit allen sonstigen halluzinatorischen Erlebnissen
. Aber auch zur hellseherischen Erfassung dieses komplex-spezifischen
Bildes läßt sich zum mindesten der Anreiz (wennschon die Möglichkeit) keineswegs
mit Natürlichkeit voraussetzen. Gewiß geschieht auch die hellseherische
Fernwahrnehmung einer Oertlichkeit einschließlich der Ortsanwesenden von
einem bestimmten Blickpunkt aus. (Vgl. „Der jenseitige Mensch", S. 669 f.)
Aber ganz abgesehen von der Frage (deren vorläufige Verneinung wir dem
Gegner eingeräumt haben), ob hierbei eine irgendwie objektive Ortsanwesenheit
des Hellsehenden anzunehmen sei: es ist in solchen Fällen ein bestimmter
Anreiz zum Hellsehen (oder doch ein Sinn desselben) fast immer
leicht zu entdecken und darf, wo er nicht zu bestimmen ist, ohne weiteres
vorausgesetzt werden. Wo aber das angebliche Hellsehen das überhaupt Vertrauteste
betrifft (Leib, Bett, Zimmer), und zwar häufig im unmittelbaren
Anschluß an die normale Wahrnehmung eben dieses Vertrautesten
, da wird die Voraussetzung des Hellsehens (in der üblichen Verwendung
des Wortes) durchaus willkürlich und sinnlos. Im gleichen Maße aber wächst
das Vertrauen in den Anschein des Vorgangs, wonach jener abnormen Wahrnehmung
des Vertrautesten eine wirkliche Hinausverlegung der wahrnehmenden
Persönlichkeit aus ihrem Leibe vorausgegangen wäre. Mag dann die
Frage, wie denn jene abnorme Wahrnehmung erfolge, noch so dunkel sein: von
Hellsehen „in der üblichen Verwendung des Wortes" — d. h. einem .„rein
geistigen", von allen Rücksichten auf räumliche Anordnung unabhängigen
„Schauen" — wäre diese An der Wahrnehmung dann deutlich zu unterscheiden
; indem eben die „räumliche Anordnung" von wahrnehmendem
Ich und wahrgenommener Wirklichkeit dabei eine
Rolle spielte. Und diese räumliche Anordnung würde offenbar den „ersten
Schritt" auf jenem Wege bedeuten, den der Spiritist für das „Verlassen des
Leibes" im Tode vorauszusetzen berechtigt wäre. Man wird demnach verstehen,
weshalb ich gerade hier das „Kernstück" unsrer Tatsachenreihe erkennen zu
dürfen glaubte. 1
Indessen ist es natürlich nicht meine Absicht, mich mit dieser abstrakten
Erwägung des Tatbestands zu begnügen, vielmehr, sie sogleich an der lebendigen
Anschauung der Einzelerfahrung zu prüfen und — wenn möglich — zu bestätigen
. Ich gedenke daher nunmehr mein Tatsachenmaterial vorzulegen, und
zwar in einer Anordnung, die mit den einfachsten Fällen beginnt und allmäh-
lieh zu Itomplexeren fortschreitet, wobei nach und nach Einzelheiten ins Spiel
treten sollen, welche die hier vertretene Deutung des Hergangs zunehmend
glaubhaft machen. Einen Teil dieses Materials habe ich bereits in meinem Buch
„Der jenseitige Mensch" teils zu verwandten, teils zu sehr andersartigen Gedankengängen
herangezogen; doch erhoffe ich hier, gestützt auf eine weit mehr
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1931/0474