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Schmotzer: Die „weiße Frau" in Oberösterreich.
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zu viel Ehre. Hat sie aber doch mediale Fähigkeiten, und das scheint nach
Schrenck-Notzing wohl der Fall zu sein, dann sollte man sie nicht zurückstoßen
, sondern so experimentieren, daß sie eben nicht betrügen kann. Mit
einer so scharfen Zurückweisung ist niemandem gedient. Es dürfte doch ge-
nügen, zu sagen: „Die Phänomene waren nicht überzeugend, der Verdacht der
Nachhilfe nicht von der Hand zu weisen." Die praktische Wirkung auf Wissenschaftler
und Medium wäre genau die gleiche gewesen, ohne andere gute
Medien abzuschrecken. Sollte hier nicht eine Konzession an die „streng kritische
Parapsychologenschule" vorliegen?!
Am Abend des Tages, an dem ich die Nachschrift niederschrieb, hatte ich
in einer Sitzung noch ein Erlebnis, das sehr charakteristisch war. Während
des Trance des Mediums erfolgte ein von starker Feuererscheinung begleiteter,
betäubender Knall, daß alle zusammenfuhren, nach einiger Zeit ein zweiter.
In beiden Fällen trat Pulvergeruch auf. Zwischen beiden Explosionen wurde
noch ein Apport beobachtet. Auf der Diele waren nachher zwei Brandstellen
zu sehen und es fand sich der Pfropfen einer Knallerbse. Die streng kritischen
Parapsychologen würden hier selbstverständlich Betrug als sicher annehmen
oder doch für möglich halten. Aber auch hier war die ganze Situation so,
daß es gar keinen Sinn hatte, Betrug anzunehmen. Die Explosion erfolgte in
der Mitte eines engen Zirkels. Das Medium war, als es von allem diesem hörte,
sehr betreten und verstimmt, und schlug selbst vor, das nächste Mal in einem
leichten Kittel zu erscheinen, um jeden Betrugsverdacht auszuschließen. Man
sieht, wie man sich vor einem vorschnellen Urteil in acht nehmen muß!
Berichte über Spontanphänomene*
Die „weiße Frau"" in Oberösierreich.
Von Dr. OskarSchmotzer, Wels.
Unter den vielen Spukerscheinungen, an die wenige öffentlich, viela aber
geheim glauben, nimmt die sogenannte „Weiße Frau* den ersten Rang ein.
An sie glaubt nicht nur „das gemeine Volk", sondern insbesondere auch die
höchsten und allerhöchsten Herrschaften. Hohenzollern stand unter dem Einfluß
einer solchen merkwürdigen Erscheinung, alle wichtigeren Ereignisse dieses
Kaiserhauses wurden von der rätselhaften Frau vorhergesagt, die pünktlich
vor jedem Todesfalle, vor der Kriegserklärung, ja sogar vor dem Umstürze erschien
und dem jeweiligen Kaiser gutgemeinte, aber häufig verlachte Ratschläge
gab. Auch bei den Wittelsbachern gab es eine solche Frau, die im
Königsschlosse erschien und Tod und Unglück vorhersagte. Der eine verlacht
dieses Gerede als bloße Einbildung, der andere sieht darin eine „Regung des
Unterbewußtseins", ohne dieses erklären zu können, der dritte meint, daß
willensstarke Persönlichkeiten auch im Jenseits die Kraft bewahren, sich zu
verkörpern. Mag dies wie immer sein, es ist jedenfalls auffallend, daß sich das
Gerücht von der „Weißen Frau" lange Jahrhunderte erhalten konnte.
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