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448 Zeitschrift für Parapsychologie. 9. Heft. (September 1931.)
ausstechen. Als der Schwager das Urteil hörte, stieß er einen starken Fluch
aus: Wenn sich kein menschlicher Rächer finde, dann sollen die Berge seinen
Tod rächen! Kaum war das Urteil vollzogen, so begann die Erde zu zittern,
ganze Berge von Schotter rollten heran und begruben das Schloß mit seinem
grausamen Herrn und allen sonstigen Insassen. Auch die fromme Schloß-
herrin war zugrundegegangen. Sie konnte wegen des Frevels ihres Gatten im
Grabe keine Ruhe finden und irrt nun auf den Schloßtrümmern herum.
Wenn ein Neusonntagskind um Mitternacht über die Ziegelroith (so heißt heute
die Burgstelle) geht, so sieht es auf einer Kiste, die einen Schatz enthält, eine
alte, schwarze Frau sitzen, die bitterlich weint. Einmal in der Mettennacht
wurde die „weiße Frau" in altertümlicher Tracht in einem Betstuhle der Kirche
zu Geboltskirchen gesehen, sie legte auf die Tafel eine Goldmünze, die so alt
war, daß sie niemand kannte. Der Pfarrei hat diese Münze „nach Linz" geschickt
und dafür ioo fl. bekommen. Für dieses Geld las der Pfarrer Messen
für das Seelenheil der „weißen Frau", und seitdem hat man von der Ahnfrau
von Ziegelroith nichts mehr gesehen und gehört.
Tollet.
In dem Schlosse Tollet erscheint zuweilen ein eigenartiges Phänomen, die
„weinende Frau". Eine Gräfin, deren Name in Oberösterreich gut bekannt ist,
übernachtete vor einigen Jahren in diesem Schlosse. Sie erwachte und sah über
sich gebeugt eine weiße Gestalt. Letztere seufzte und schluchzte und nach
einer Weile verschwand die rätselhafte Gestalt wieder. Die Gräfin war ganz
wach geworden und konnte mit ihren gesunden Sinnen d^e „weinende Frau"
gut beobachten. Sie erklärt daher auch jede Selbsttäuschung ausgeschlossen.
Die „weinende Frau" ist in Tollet eine wohlbekannte Erscheinung und war
wenigstens noch vor wenigen Jahren eine den Schloßbewohnern vertraute Gestalt
.
W alchen6).
Im Stiegenhause des Schlosses Walchen hing noch in den neunziger Jahren
ein Bild, das die „weiße Frau" von Walchen darstellte. Das Bild zeigte ein
lebensgroßes Kniestück einer ganz in Weiß gekleideten Frau von herrischem
Ausgehen, die einen Stock oder eine Reitpeitsche in der Hand hielt. Itugo Jud,
der sich mit der Geschichte von Walchen eingehend beschäftigt hat, vermutet
in der „weißen Frau" die unglückliche Dorothea Juliana Josefa Gräfin von
Curland, geborene von Schallenberg, die die letzte Besitzerin ihres Stammes
war. Sic starb am 12. September 17/19. ^on der »weißen Frau" wird erzählt,
daß sie den Ausbruch der Pest in Walchen prophezeite, die alle ihre lebenden
Verwandten hinwegraffte. Nach ihrem Tode soll die „weiße Frau" in Walchen
ruhelos umhergeirrt haben und ihre Erscheinung war oft bis in die jüngste
Zeit zu sehen.
Aehnliche Sagen, die mir von Augenzeugen berichtet werden, ließen sich
von dem Schlosse Aigen bei Atzbach und vom Schlosse Gallspach erzählen.
Ueber den Spuk im Schlosse Aigen ist Gewährsmann ein gewisser Schnei-
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