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Schmotzer: Die „weiße Frau" in Oberösterreich.
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dermeister Humer in Weigensam, Bezirk Schwanenstadt. Dieser teilt wörtlich
folgendes mit:
„Im Schlosse Aigen spukte es in früherer Zeit. Sehr häufig, während des
Tischgebetes bei der abendlichen Suppe in der Mairstube (heute Speisezimmer
des jetzigen Besitzers Dir. Koran) sahen die Dienstboten im dunklen Hintergrunde
drei blasse Kerzenlichter, die unruhig hin und her flackerten. Ging
jemand darauf zu, so verschwanden sie, kehrte er auf seinen Platz zurück,
wurden sie wieder sichtbar. Als dann ein Gebet für die verstorbenen Schloßinsassen
eingeführt wurde, war seither von dem Spuk nichts mehr zu sehen."
lieber den Spuk in Gallspach, das in letzter Zeit durch Zeileis allgemein bekannt
wurde, erzählte der alte Petershofer. Dieser war ein Spielmann und
später Gemeindearmer in Gallspach. Er erzählte wiederholt, daß auf dem
heutigen Gange des Schlosses die „weiße Frau" von ihm gesehen wurde.
Was bedeuten nun alle diese Sagen? Grillparzer hat in seiner „Ahnfrau"
dem Phänomen der „weißen Frau" ein unsterbliches Denkmal gesetzt. Ist die
weiße Frau wirklich nur ein müßiges Spiel menschlicher Phantasie? Die westliche
Wissenschaft weiß darauf keine befriedigende Antwort zu geben. Vielleicht
darf ich mit der Weisheit des Ostens antworten. Dort wird die Erscheinung
der weißen Frau nach eigenartigen Religionsbegriffen erklärt.
Der menschliche Wille, heißt es dort, ist eine starke magnetische Kraft, die
auch über den Tod des Willenserregers hinaus wirkt. Wenn nun eine Mutter
ihr Kind heiß liebt, so gibt sie auch nach ihrem Tode dem Kinde einen solchen
Schatz an Schutzkraft mit, daß diese Kraft weiter zum Segen des Kindes wirken
kann. Was eine Mutter in ihrer unendlichen Liebe tun kann, kann auch ein
anderer Mensch, der um das Schicksal seines Hauses besorgt ist. Der Wille,
sein Geschlecht zu schützen, lebt auch nach dem Tode fort und das dadurch
geschaffene Elementarwesen muß so oft erscheinen, als den Lebenden Gefahr
droht. Jetzt verstehen wir auch, warum beispielsweise der Familie von Oxen-
ham in England seit dem Tode der Königin Elisabeth ein weißer Vogel erscheint
, wenn ein Familienglied sterben soll. Nun wissen wir auch, war1 im bei
einer anderen Familie Englands regelmäßig eine Geisterkutsche sichtbar wird,
wenn jemand der Tod droht. Ist auch uns Europäern diese Art Denken ungewohnt
, ja vielfach sogar unmöglich, so müssen wir doch zugestehen, daß ein
solcher Gedankengang wenigstens einen plausiblen Versuch einer Erklärung
bedeutet.
Quellen: *) Piilwein III. B., S. 292, Katholischer Kalender 1866, S. 86.
F. C. Schall: Lucia von Hohenfeld oder Verlobung und Tod. ex 1857, Verlag
Haas. S. 1 bis 58. 2) Leonhard Müller: Thalgau und die Sagen seiner Umgebung1,
Selbstverlag ex 1891. P. Amand Baumgarten: Aus der volksmäßigen Ueber-
lieferung der Heimat, S. 69, Heimatgaue ex 1924, S. 61. 3) P. Amand Baumgarten
a.a.O. S.68. 4) Karl Grimm: Wolfsegg, Preßvereinsdruckerei ex 1927. 6) Gloning,
S. 102. Lechner, Volkssagen und Schilderungen prachtvoller Gebirgsausflüge aus
dem k. k. Salzkammergute, S. 60, Linz 1859. Dr. Krackowizer, Geschichte der
Stadt Gmunden, S. 43. 6) Linzer Landesarchiv, Manuskript von Andrä Jud.
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