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456 Zeitschrift für Parapsychologie. 9. Heft. (September 1931.)
vermag. Es heißt da: „In der Natur finden wir mathematisch
präzis kalkulierte Phänomene, wie z. B. das Erscheinen
und Schwinden von Kometen, deren zeitlicher Ahlauf mit
einer, bis auf Sekunden errechneten, Genauigkeit vorausbestimmt
wird, während viele andere, als solche der
Jugend, des Alters, des Blühens und F r u c h 11 r e i b e n s , des
Wechsels der Jahreszeiten usw. keinesfalls im voraus zu
ermitteln, da sie von Ereignissen abhängen, die ihrerseits
eine abändernde Wirkung auf sie ausüben können."
Das alles findet der Kritiker bei seiner Besprechung in der Revue metapsychi-
que nicht wissenschaftlich und bedauert, daß es dem Geiste eines Forschers zu
entspringen vermochte. Dazu habe ich nur kurz zu bemerken, daß es peinlich
ist, wie eine derartige Kritik voll Böswilligkeit in einer wissenschaftlichen Zeitschrift
überhaupt aufgenommen werden konnte.
D. Dr. Eberhard Dennert, unser bekannter Mitarbeiter, wurde am 31. Juli
in Godesberg 70 Jahre alt. Wir sprechen ihm unsere aufrichtigen Glückwünsche
dazu aus. Hauptsächlich in Marburg studierend, wurde er zunächst Botaniker, dann
Biologe und Naturwissenschaftler im weiteren Sinne, schloß sich früh den Antipoden
Häckels und den Kritikern der Darwinschen Theorien an, wurde in Godesberg
an dem eben entstehenden, beute weitbekannten und zu den besten Deutschlands
zählenden Privatpädagogium ein großzügiger Organisator der naturwissenschaftlichen
Fächer und Sammlungen. Als Sohn eines Pfarrers, mit tiefem philosophischem
Rüstzeug versehen, entwickelte Dennert eine umfangreiche schriftstellerische
Tätigkeit, und indem er einen Vitalismus — wie Driesch, Reinke u. a.
— vertrat, hielt er in einem tiefreligiösen Gefühl an den Grundlagen des christlichen
Glaubens fest.
Dennert erstrebte mit leidenschaftlichem Herzen eine Einheitsfront aller
derjenigen, die im atheistischen Materialismus einen Todfeind unseres Volkslebens
erkannten, und gründete 1907 in Frankfurt a. M den Kepplerbund, dessen
Leiter er lange Jahre blieb und dessen Monatsschrift: „Unsere Welt" er elf
Jahre, von 1909 bis 1920, herausgab. Durch diese Gründung und zahlreiche in
seiner Lebensrichtung liegende schriftstellerische Werke hat Dennert auf die
geistigen Kämpfe der letzten Jahrzehnte einen wesentlichen Einfluß gewonnen.
„Unsere Welt", illustrierte Zeitschrift für Naturwissenschaft und Weltanschauung
, widmet dem verdienten Mann eine Festnummer mit ausführlichen Aufsätzen
über sein Lebenswerk. Prof. Bavink, der heutige Herausgeber, schreibt dort
u. a. folgendes: „Ich darf Dennert heute bestätigen, daß er alles in allem auf der
richtigen Spur mit seinem Vitalismus gewesen ist, und daß er, nicht seine rein
mechanistischen Gegner, recht behalten hat und recht behalten wird. Auf
dem Boden der heutigen Physik (Relativitäts- und Quantenlehre) verliert der alte
Gegensatz Mechanismus—Vitalismus seine Bedeutung. ... Der Materialismus ist
tot, und kein Dekret moskowitischer Machthaber wird ihn je wieder lebendig
machen." —
Seit mehreren Jahren durch ein schmerzhaftes rheumatisches Leiden nahezu
gqjähmt und an jeder Bewegung gehindert, nimmt er mit regem Geiste an
allem Geschehen Anteil und — neben der Herausgabe naturwissenschaftlicher
Zeitschriften — veröffentlichte er als eine letzte große Frucht das umfangreiche
Werk: „Das geistige Erwachen des Urmenschen", eine vergleichend-experimentelle
Untersuchung über die Entstehung von Technik und Kunst. Unsere Zeitschrift
brachte unlängst eine ausführliche Besprechung.
Zahlreichen Lesern derselben ist Dennert im Laufe der Jahre auch durch
wiederholte Beiträge bekannt geworden. Als ich unseren Mitarbeiter vor einigen
Jahren in Godesberg besuchte, war ich erschüttert von der durch das körperliche
Leiden bedingten Behinderung, zugleich auch von dem philosophischen Mut, mit dem
auch hier der Geist die Materie überwand. Wir wünschen dem verdienstvollen
Gelehrten, daß er sich an seinem Lebensabend weiterhin des erfolgreichen Aufgehens
seiner Lebensaussaat erfreuen möge. Sünner.
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