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Verlegt von Michael Andres Fuhrmann / 1714, ist diese Spukgeschichte
auf die Nachwelt gekommen. In der Vorrede „an den christlich-gesinnetan.
Leser'" führt Dr Gerstmarm aus:
„Ich war nicht Sinnes diese Begebenheit und abendtheuerliches Gespenst
zu beschreiben / das Splitterrichten aber / Verläumbdungen / Verachtungen /
vielfältige Lügen und folgende Ursachen haben mich gezwungen die Feder anzusetzen
.
1. Die höhnische Rede / daß es nur Phantaseyen wären / da die Fenster
eingeworffen / allerhand Steine und fremde Sachen ins Hauß und Stuben getragen
/ auch weggetragen / und was sich sonst begeben.
2. Die spöttische Rede / daß / ob ich gleich durch Gottes Beystand /
Kirchen und Hauss-Gebeth / Vertrauen auff Gott / auch seinen gewissen Beystand
(als welchen dei Aussgang in den Tag-Buch zeigen wird) dem Teuffei
widerstanden: Ich dennoch keinen Teuf fei / keine Gespenste / keinen Poltergeist
/ keine Zauberer oder Hexen glaubete / und daher dieser oder jener
Seito anhinge / und wunderliche Meynung hegete.
3. Daß ich ein Anu'-Pietiste wäre und desshalben vom Teuf fei geplaget
würde.
I\. Weil ich die mir angebotene Verbannungs-Mittel oder den so genandlen
Erorcismum nicht annehmen wollen.
5. Weil ich die Medicin selbst präparierte / denen Patienten verkauffte /
und also auf verbottönen Weegen ginnge.
6. Es käme mir nicht zu diese Materie zu beschreiben / weil es mich selbst
anginge und mein Zeugnüss nichts gülte und zu verwerffen wäre.
7. Weiln vernommen / daß in einer benachbahrten Stadt dieser in meinem
Hause geschehener Unfall schon unter der Presse wäre: Weil nun anderen /
oder Ausswärtigen nicht so viel als mir und meinem ältesten Sohn / davon
gewiß bewust / auch gewiß vermuhtel / es würden viele Unwahrheiten mit
unterlauffen; als habe die Feder selbst zur Hand nehmen und schreiben
müssen Sollte aber wider Vermuhten eines anderen oder Frembden Nachricht
ans Licht kommen / so wolle der Wahrheitliebende Leser keine andere Berichte
für wahr erkennen als die / so bei Hr. Michael Andreas Fuhrmann Osnabrückischen
Buch-1 ländelern verleget seyn.
8. Die verfluchte Rede / und verdammte Aufflage / man hätte alles selbst
gelhan / man hätte die Porügue selbst zerschnitten / des Kindes Rock selbst
zerrissen / dit diesem Trauer-Spiel beygewohnet / mich von diesem Argwohn /
und recht zu nennen / Schelm-Stücken frey sprechen / und öffentliches
Zeugniss darlegen können / und auff Erfordern thun werden."
Die Spukerei sollte vom 5. Mai bis zum 2. Juni, angedauert haben.
Der älteste Sohn des \rztes hat darüber ein Tagebuch geführt, welches in
dem Büchlein abgedruckt und mit besonderen Anmerkungen des Vaters versehen
ist.
Die Geschichte begann if\ Tage vor dem 5. Mai, als die Hühner zu
Mitternacht von der „Fickel gestöbert sind und nicht wieder heranwollten",
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