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Waschtisch ging, sehen konnte, würde eine Stut/ung für die Annahme eines
„geistigen Erscheinens" von mir sein können. Logischer ist es ja auch, daß
ich „erschien" und sie warnend weckte. Ich appellierte ja im Schlaf an Klara,
sie solle viel Wasser aufs Feuer tun. Es hatte aber folgerichtig keinen Sinn, daß
sie, die Schlafende, mir telepathisch diese Worte übermittelte, die sie selbst
aufwecken und warnen sollten. Ob ich nun in geistiger Form als „Gespenst"
oder in einer telepathischen suggestiven Art den zweifelsfrei vorhanden gewesenen
Konnex durchführte, ein Wunder wird es für mich immer bleiben, daß
ich primär in meinem Bett schlafend (im abgeschlossenen Zimmer!) von der
Feuersgefahr im schräg gegenüber liegenden Zimmer wußte, und daß ich auch
ganz richtig an die Klara mit dem „Wasser aufs Feuer" appellierte, und nicht
7. B. an die abseits vom Brandherd liegende Ottilie.
Entgegen den von Herrn Dr. Mattiesen angeführten Beispielen von Exteriori-
sation muß ich aber ausdrücklich erwähnen, daß ich in diesem Zustand - als
es mich zog und ich an Klara jenen Wasser-Feuer-Appell richtete — mich selbst
keinesfalls sah und auch von der Szene im anderen Zimmer kein richtig visuelles
Bild bekam. Durch eine unbekannte Möglichkeit hatte ich nur von der G e •
fahr Kenntnis, die dann eben s o stark auf mich wirkte, daß ich meinerseits,
sei es direkt durch Bilokation, oder durch telepathisch suggestive Einwirkung
auf die drüben Schlafende, meine Warnung auswirkte. Daß ich es durch wirklich
Wortlautes Rufen getan haben könnte, ist ausgeschlossen, denn das hätte, um
gehört zu werden, so laut sein müssen, daß es alle in der Wohnung, also mein
Mann und meine Kinder, hätten hören müssen. Angenommen aber, es wäre s o
gewesen, dann bliebe immer noch das für mich Unverständliche und Wunderbare
, daß ich a priori durch zwei geschlossene schräg zueinander stehende Türen,
zwischen denen ein Korridor liegt, genau von den Elementen und der Person,
um die es sich handelte, wußte, daß ich dabei selbst nicht wach war, und daß
ich gleich in der richtigen Weise reagierte. Dieses mir so Wunderbare erkläre
ich mir nur mit einer mich damals im Halbschlafe überkommenden He3lsichtigkeit,
die ich sonet aber nicht besitze.
Entgegen den von Dr Mattiesen angeführten Fällen spürte ich auch keinen
„Zurücktritt" in meinen Organismus; der ganze mich ei regende psychische
Vorfall ging im Gegenteil in ruhige«i tiefen Schlaf über, nur mit dem Unterschied
, daß er mir früh beim Erwachen in lebhaftester Deutlichkeit zurückkam,
was fernerliegende Träume sonst nicht bei mir tun.
Ich neige nach diesem Erlebnis zu der Annahme, daß man in diesem
Zustand der Hellsichtigkeit und psychischen Aktivität wohl eine „geistige Substanz
" hinausprojizieren kann, daß diese sich aber gleich einem Licht „verstrahlt
" — (d. h. es „strahlt" so lange, wie die Lichtquelle, also der Projizierende,
es unbewußt will) - oder gleich einem Nebel vergeht Diese Substanz wäre
dann also nicht das Element als Ganzes, das unsern Körper als Lebenskraft
„beseelt", sie wäre nur etwas, das \ o n dieser Lebenskraft produziert werden
kann."
Leipzig, den 4 Juni K'31 Margarete Driesch.
Surrealismus1) und Parapsychologie.
Originalbeitrag von Dr. Einilio Servadio (Rom) mäßig gekürzte lieber-
tragung aus dem Italienischen von .1. Kasnacich, Graz.
Die Veröffentlichung des zweiten surrealistischen Manifestes2) und die
dadurch in Frankreich und im Vusland hervorgerufenen Vuseinandersetzungen
ergeben die Notwendigkeit, ein interessantes Thema, mit dem wir uns bereits
im Aprilheft io,3o der ,,Luce e Onibra" beschäftigt Innen, von einem neuen
1) Der Surrealismus bedeutet eine neuere Richtung in der französischen Kunst,
die bestrebt ist, das Kunstwerk aus dem Unterbewußtsein, bei völliger Ausschaltung
jeglicher Mitarbeit des Vorderhirns zn schaffen. (Anm. des Uebersetzers.)
2) Andre Breton, „Second Manifeste du surrealisme." Ed. Kra. Paris 1930.
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