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OosichLspunktc aus ^u betrachten. Linser Augenmerk richtet sich diesmal
nicht auf eine Lntersuchung der Beziehungen, die zwischen dein Surrealismus
und gewissen Erscheinungen des Mediumismus herrschen, sondern wir werden
die Stellung, die diese neue Bewegung der metapsychischen Forschung gegenüber
einnimmt, auf Grund der Erläuterungen, die uns deren Führer gibt, des
näheren untersuchen. Es wird demnach vor allem notwendig sein, einige
Winke über den gegenwärtigen Stand des Surrealismus, wie er sich in der
jüngsten Arbeit Bretons darstellt, vorauszuschicken, um seine eigenen die!
Melapsvchik betreffenden Erklärungen zu prüfen und daraus die notwendigen
Schlüsse zu ziehen.
Da nach Hegel, den Breton mit Vorliebe zitiert, die Philosophie jene Form
bedeutet, in der die Forderungen, die auf den verschiedenen Gebieten der
Kultur und Aktivität einer bestimmten Epoche mehr oder minder unbewußt
zutage treten, ihrer selbst bewußt werden, steht es für uns fest, daß wir hierin
das philosophische Problem des Surrealismus zu suchen haben. Breton hat, wie
viele andere, zuerst nur unbestimmt (Manifeste vom Jahre JQ^/j), dann mit
immer größerer Klarheit (in seinem Boman .,Nadja" und in den darauffolgenden
Schriften bis zum ,,Second Manifeste") erfühlt, daß das philosophische
Hauptproblem unserer Zoil jenes des ..Ich" ist. Die Folgerungen der modernen
Philosophie, die in d"r Behauptung gipfeln, das „Ich" könne nicht überschritten
werden, halwm den Philosophen selbst enorme Schwierigkeiten bereitet
und bereiten solche auch weiterhin (man vergleiche die Erklärungen Galogeros
gelegentlich des VII. italienischen Philosophenkongressea) und haben manchen
zu recht sonderbaren Versuchen, die Philosophie in mystischen, okkultistischen
u. ä. Formen zu überwinden, getrieben, ohne auf die Pseudolösungen anderer,
die eher Ignoranz dem Problem gegenüber als das Vermögen, es lösen zu
können, verraten, des näheren eingehen zu wollen. Breton gehört gewiß nicht
zu den Letztgenannten, wohl aber zu jenen, die es unerschrocken versucht
haben, über die Philosophie hinauszuschreiten. Schon seit dem Zeitpunkte,
da er da? automatische Schreiben als ein Mittel zur Erweckung neuer
dichterischer Möglichkeilen anempfahl, lautete «eine Forderung stets dahin,
die verborgensten und tiefsten Wurzeln der Persönlichkeit zu ei wecken*
immer häufigeren Kontakt mit den geheimnisvollen unterbewußten
Energien der I n d i \ i d u a 1 i 1 ä t zu suchen, einen immer
breiteren Weg jen* r Welt /u bahnen, die nicht die Welt des Waehbew ußlseins
ist, deren metaphysische Natur sich nur ab und /u, blit/artig, als innere, fast
unmitteilbare Erfahrung oflenbart. Diese evtreine Form von Irrationalismus
gipfelt in der Forderung, sich so weit als möglich der Koni rolle durch die
oberen Zentren, als Vernunft, Wille usw , zu entäußern, um einen desto größeren
Spielraum dem anstürmenden Strom des l nt erbewußten fieizu-
lassen.
Im ..Necond Manifeste" wird, wie bereits erwähnt wurde, diese Forderung
verallgemeinert, indem es nicht bloß darauf ankommt, sie bei der schöpferischen
Tätigkeit des Künstlers allein, sondern bei jeder menschlichen Tätigkeit
zu erfüllen, und zwar In immer sfeisendem Maße. ,Alles führt zur An-
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