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Kleine Mitteilungen.

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Werkzeug des Halbwissenden und moralisch Untauglichen furchtbares Unglück
heraufbeschwören können.

Trotzdem ist einiges Wissen zum Volke durchgesickert und von diesem
auf intuitivem Wege erkannt worden. Erinnerungen an dieses Wissen und die
okkulten Kräfte, wie sie die Großväter und Urahnen besaßen, leben heute noch.

Ein Dieb stiehlt Aepfei aus dem Garten eines Bauern. Der Bauer merkt dies,
verfolgt den Dieb, dieser läuft davon und verliert dabei seine Jacke. Nun drischt
der Bauer aus Leibeskräften mit einem Stock #aut die verlorene Jacke, und der
Dieb, der sich im Waldesdunkel schon sicher geglaubt hatte, verspürt die
Schläge, windet sich unter den Hieben, als wenn er den Rock noch am Leibe
tragen würde, läuft heulend /um Bauern und bringt die gestohlenen Aepfei zurück
. Zwei junge Mädchen in PettenbaCh erzählen ihren Mitschülerinnen, sie
verstünden die Kunst, die Kuh des Pfarrers aus der Ferne zu töten. Die Kinder
erzählen es wieder dem Lehrer und dieser sagt es dem Pfarrer weiter. Der
Pfarrer läßt die beiden Mädchen zu sich kommen und befiehlt ihnen, ihre Kunst
zu zeigen. Die Mädchen holen aus dem Stall eine Mistgabel und einen Heu/ipfel
(ein Tuch zum Heutragen), das eine zieht so an dem Heu/ipfel, als wenn es
melken würde, während das andere Mädchen mit der Gabel in das Tuch hineinsticht
. Plötzlich stürzt die Stalldirne des Pfarrers herein und meldet, daß die Kuh
aus unerklärlichen Ursachen zu bluten anfängt. Dem Pfarrer wird angst und
bang und er verbietet den Kindern, die Tierquälerei fortzusetzen. Ein ähnliches
Kunststück machen sich eifersüchtige Leute zunutze. Wenn jemand ein Liebespaar
auseinanderbringen will, dann verschafft er sich von beiden Liebesleuten
ein Haarbüschel, ballt diese zu einem Knäuel und hängt das Büschel in die
Reibungsfläche von Aesten zweier benachbarter Bäume. Werden die Aeste vom
Winde aneinandergepreßt, dann wird das Haar zerrieben und die Liebesleute
entzweien sich. Eine andere praktische Anwendung eines ähnlichen Kunststückes*
dient zur Aufdeckung von Verbrechen. Bei Steinhaus wurde einmal ein Krämer
umgebracht und die L eute setzten ihm am Tatort eine Bildsäule. Später warf
ein Sturm das Kreuz um und im selben Augenblicke starb jener Mann, den das
Volk allgemein für den Mörder gehalten hatte, ohne daß seinerzeit das Gericht
genügend Beweise gehabt hätte, einzuschreiten Wenn ein Fleischhauer bei
einem Bauern ein säugendes Kalb kauft und aus dem Stalle wegführt, wird die
Mutterkuh unruhig und fängt zu jammern an. Dann nimmt der Bauer den
Strick, an dem das Kalb aus dem Stalle geführt wurde, und wickelt ihn fest
um 4en Tischfuß herum. Sofort vergißt die Kuh ihr Kalb und ist von ihrem
Schmerze befreit. Wenn ein Vieh „würflig" (gehirnkrank) wird, so schneidet
der Bauer dem toten Tiere den Kopf ab, steckt diesen in einen Erdäpfelzöger
(Kartoffelkorb) und hängt ihn an den Firstbaum seiner Scheune aut. Der Stall
ist vor einer Wiederholung der Kraftkheit sicher. Der Besitzer des Unterfier-
linger Gutes hat einmal seinem Nachbarn, dem Rathner, das Vieh verhext. Der
Rathner wußte sich zu helfen, er hing den Kopf einer würfligen Kuh auf seinen
Dachfirst, der Pfarrer weihte den Stall und keine Hexenkunst konnte dem Stall
etwas anhaben.

Das wertvollste Besitztum des Bauern ist sein Vieh. Naturgem iß sucht er
dies vor Schaden und Krankheit zu schützen. Daher sind ihm alle „Geheimmittel",
von denen er solches erhofft, doppelt wertvoll. Er furchtet nichts so sehr als
den sogenannten Viehneid. Wenn nämlich ein Fremder in den Stall kommt und
ein Stück Vieh ganz besonders lobt, dann kann dieses leicht krank werden.
In einem solchen Falle schneidet der Bauer ganz unbemerkt ein kleines Stück
Stoff von dem Gewand des „Vtrneiders" ab, dieses wird geröstet und in heißem
Zustande dem Vieh ins Futter gegeben. Auch Hexen, an deren Macht im Landvolk
heute noch vielfach geglaubt wird, kann man aui diese Weise unschädlich
machen. Wenn eine angebliche Hexe den Stall verhext hat, *o daß die Kühe
nur Blut geben und die Kälber verwerfen, dann steckt der Bauer eine Eisenstange
ins Feuer, bis sie glüht. Die glühende Eisenstange führt er in den Jaucheabfluß
des Kuhstalies ein und im selben Augenblicke wird der Hexe, die gär nicht in
der Nähe weilt, das Gesicht verbrannt. Manche Formen des Aberglaubens, der
aus metaphysischer Erfahrung entspringt, sind international. Frobenius erzählt
aus seinen Reiseerlebnissen in Innerafrika eine merkwürdige Geschichte. Er
wollte einmal Gazellen jagen, bekam aber keine Gazelle zu Gesicht. Ein Jäger
schnitt nun eine Gazellenfährte aus dem Rasen und legte sie verkehrt auf die


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