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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1931/0664
588 Zeitschrift für Parapsychologie. 12. Heft. (De/ember 1931.)

nach etwa 10 Sitzungen bei Frau O. mediale Kräfte feststellen, weiche sich in
allerhand metaphysischen Erscheinungen äußerten. Das bekannte Klopfen im
Tischchen trat ein, ebenso das Anschlagen einer Oitarrensaite ohne menschliches
Zutun, leuchtende Odnebel usw. und schließlich trat eine Intelligenz durch
das Stimmorgan des Mediums in Erscheinung, welche sich als den Kontrollgeist
desselben vorstellte und uns in der Folge Verhaltungsmaßregeln vorschrieb und
Anleitungen erteilte.

All diese Erscheinungen standen natürlich noch in den ersten Entwicklungsabschnitten
, waren für uns Beteiligte wohl von Interesse, für den Dr. O. sogar
überzeugend, da er sie durch die Mediumschaft seiner eigenen Frau erlebte, aber
auf keinen Fall waren sie reif, um irgendwie als Beweise verwertet zu werden.
In dieser Beziehung werden leider noch immer, sogar von den meisten wissenschaftlich
gebildeten, aber erfahrungsarmen Forschern die größten Fehler gemacht
, indem sie alle noch in den Anfängen begriffenen Erscheinungen bereits
für voll nehmen, sie veröffentlichen oder einer abschließenden Kritik unterziehen
und ihre Theorien darauf aufbauen. Es wird dadurch viel Verwirrung und viel
Unklarheit, Verdächtigungen und Zwiespalt in das zu erforschende Gebiet getragen
.

Nach Schluß jeder Sitzung begaben wir uns in das Eßzimmer, woselbst ein
einfaches kaltes Abendbrot unserer wartete. Als Getränk wurde anfangs Wein
gereicht, aber eines Tages erwartete uns ein Syphon Kulmbacner Bier. Für uns
Herren standen große Seidel bereit, die Damen tranken aus kleinen Gläsern.

Frau G., das Medium, war im Trinken ungemein mäßig: mit einem kleinen
Glas Wein oder Bier war ihr Bedarf gedeckt, den sie niemals überschritt.

Um so mehr waren wir erstaunt, als sie plötzlich das volle Seidel ihres Nachbarn
ergriff und es mit einem Zug leerte. Wir bemerkten dabei, daß sich ihr
Gesicht vollständig verändert und in ein männliches mit wüstem Ausdruck verwandelt
hatte. Mit stieren Augen, wie man sie an Gewohnheitstrinkern beobachten
kann, sah sie uns an und ehe wir es uns versahen, hatte sie bereits ein
anderes volles Glas ergriffen und ebenfalls aut einen Zug geleert

Dr. G. nicht gleich im Bilde über das» was vor sich ging, untersagte seiner
Frau halb im Scherz und halb im Ernst das schnelle Trinken solcher Massen des
kalten Getränkes und warnte sie lächelnd vor dem Schwips, den sie sicher davontragen
würde, worauf sich eine tiefe männliche Stimme in unverfälschtem bayrischen
Dialekt aus ihrem Stimmorgan vernehmen ließ, welche in grober Art
behauptete, tun und lassen zu können was sie wolle, und ähnliches mehr. Zu
gleicher Zeit faßte sie bereits nach dem dritten Glas. Dr. G., jetzt im Bilde,
griff jedoch schnell zu und entfernte das Glas und wir die noch übrigen. Jetzt
sprang das Medium auf und ergriff, zornfunkelnd und unter den drastischsten,
gröbsten Schimpfworten — alles im bayrischen Dialekt — ein spitzes Brotmesser,
womit es gegen Dr. G. losging. Herrn Sch. aber gelang es durch einen ge
schickten Griff, jenes gefährliche Werkzeug an sich zu bringen, worauf das
Medium zu allerhand anderen Gegenständen griff, um damit /u schlagen oder
zu werfen, so daß wir uns so gut es ging in Sicherheit bringen mußten.

Endlich gelang es uns durch gütliches Zureden und indem wir ihm erlaubten
noch ein kleines Gläschen zu trinken, jenes Wesen zu beruhigen, und nun
wurde es gemütlich und erzählte uns allerlei, immer wieder und wieder Bier verengend
, welchen Wunsch wir ihm aber unter allerhand Ausreden nicht mehr
erfüllten.

Als das Medium wieder frei von diesem üblen Einfluß und in normalem Zustand
war, in welchem es nicht die geringsten Folgen der vorhergegangenen Trinkerei
verspürte, wußte es von der ganzen Geschichte nichts.

Nach den nun folgenden Sitzungen entfernten wir aber vorsichtshalber alle
spit/en Gegenstände usw. vom Eßtisch und ließen auch das Bier fort. Das Geistwesen
, im animistischen Sinne gesprochen: die „Trancepersönlichkeit" jenes
Bayern, kam noch ein paarmal wieder. Da wir ihr aber versicherten, daß kein
Bier im Hause sei, empfahl sie sich unter Schimpfen und Drohungen, bis sie
endlich nicht mehr wieder kam: ihr Magnet, das Bier fehlte!

„Trancepersönlichkeit" — so nennen die modernen wissenschaftlichen Forscher
jene Intelligenzen, welche durch die Medien sprechen, oder sich durch
diese verkörpern respektive arbeiten. Das ist ein Versteckenspiel. um nur nicht


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