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Wassilko-Serecki: Die angeblichen Phänomene des Herrn Merbeller.
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Einwurf schlitz, geht hn, und findet hinter den Vorhang geduckt die Kellnerin
Mitzi. Dann wirft Meixner selber 5o Heller in den Schlitz und Merbeller bittet
den Geist Buttler, jetzt nicht zu spielen. Tatsächlich bleibt das Klavier trotz
Einwurf zuerst stumm, dann spielt es nur ein paar Takte und hört wieder auf.
— Man bemerkt, daß auf einein zweiten, an die gleiche Stelle gelegten Zetlel
wieder ein „Ja" steht, als Antwort auf die Frage, ob die Kellnerin geschwindelt
habe. Weder Amtsrat Meixner noch ich konnten die Zettel ständig im Auge
behalten, weil wir durch anderweitige Beobachtungen abgelenkt waren.
Am ii. August gehen wir nach dem Abendessen mit Herrn Merbeller in
die Bierschenke Siekbauer. \ur ein Ecktisch ist besetzt, es sind die Bekannten
Merbellers, der Professor am Mädchengymnasium in Eger Dr. Rudolf Rubi
Ische k, seine Mutter, Frau Kubitschek, der pensionierte Oberlehrer
S 1 a p s c h i und Ziegelmeister D r a s c h k o. Später kommt auch Herr Fo-
schum. Zuerst schaut ein Kopf durch das Glas der mir gegenüber befindlichen
inneren Eingangstür und duckt sich wieder. Irgendeine Kellnerin. Dann kracht
es unter dem Fisch. Der Professor, der rechts von mir sitzt, hat mit der Fußspitze
daran geschlagen. Dann legen alle je zwei Finger unter den Tischrand;
der Tisch geht in die Höhe, ganz einfach durch die Summe der Kräfte gehoben.
Währenddem wirft der Wirt über den Bücken des Merbeller eine rote Blume
auf den Tisch, vor mich hin. Amtsrat Meixner bemerkt dazu (bei der nachträglichen
sofortigen Ergänzung meiner fortlaufenden Aufzeichnungen durch
ihn): „Ich sah die erhobene Hand des Wirtes und den ganzen Flug der rolen
Blume und stellte die verlegene Miene des Wirtes fest, als ich ihn anblickte."
Gleich darauf klopft der Professor, für uns beide deutlich sichtbar, abermals
mit der Fußspitze von unten an die Tischplatte. Dann klopfl der Draschko
gegenüber; verstohlenes Gekicher. Die Wirlin bestätigt dem Merbeller auf seine
Frage, daß im Garten keine Blume, wie die heruntergefallene, vorhanden sei.
- Die Mutter des Professors klopft mit der Hand unter dem lisch. Merbeller
versichert inzwischen die unzweifelhafte Echtheit der Phänomene, beson-
ders des Blumenapportes. Er trachtet nach Anerkennung und hat volles Vertrauen
zu den Anwesenden, ist doch Professor Kubitschek seit 17 Jahren mit
ihm „befreundet". Peinliche Situation. — Frau Kubitschek kommt aus der
Wirtsstube herein, ein Zettel fliegt auf den Tisch. Inhal!: „Lieber lludi!
Morgen wirst große Neuigkeit lesen, gehe auf drei Tage nach Berlin, Dein
Anathan.'* Bemerkung des Amtsrates dazu: „Im Gehen warf die Frau, ungefähr
an der Stelle wie früher der Wirt, hinter dem Bücken des Merbeller, den
Zettel auf den 'Fisch. Genau beobachtet/' — Merbeller bekommt ein frisches
Bier; der Wirt setzt es vor ihn hin, entfernt sich in die Bichtung der Wirls-
stube, stell! sich mit dem Bücken zu uns an den Türrahmen und sagt in tiefem
Baß: „Wohl bekomms!" Merbeller begrüßt freudig die Stimme des Geistes
Anathan (jedes Gasthaus hat seinen besonderen Geist) und sagt: „Das ist seine
Stimme, ich kenne sie, seit Jahren immer die gleiche, da ist jeder Schwindel
ausgeschlossen. 4 — Der Wirt, der jetzt neben Herrn Foschurn auf der Bank
sitzt, wirft mit der rechten Hand über Herrn Foschurn von hinter dessen
Rücken her eine Bose auf den Tisch vor den Amtsrat. Knapp vorher kam die
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