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20 Zeitschrift für Parapsychologie. 1. Heft. (Januar 1932.)
Genehmigung entnehme ich seinen zahlreichen Beobachtungen dein Bericht
über eine „Materialisation" im Gasthofe Stekbauer im Beisein des Professors
Kubitschek und dessen Mutter. Nach vielen anderen „Phänomenen", wie Verschwinden
von Gegenständen, plötzlichem Auftauchen von Blumensträußen,
schriftlichen Geisterbotschaften, Geisterstimmen und Spielweisen auf einer
Mundharmonika (ausgeführt durch den Wirt), bat Merbeller um eine Materialisation
, die aber erst zustande kam, nachdem ein junger Bursche leere Bierflaschen
zurückgebracht hatte. Ein „Gespenst", dessen Gesicht mit einem weißen
Tuche verhüllt war, zeigte sich an der Türe, wich jedoch zurück, als Merbeller
ihm entgegeneilte. Dann erschien es \on außen am Fenster, wo es zwei Krügel
Bier austrank und mit Merbeller sprach. Herr ilerndl konnte es nicht fassen,
daß Merbeller an die Echtheit einer derartigen „Geistererscheinung" glauben
konnte.
Es versteht sich von selbst, daß wir Herrn Merbeller unsere Beobachtungen
schonend, aber aufrichtig mitteilten und daß wir ihn eindringlich
vor seiner Umgebung warnten. Ja, Amisrat Meixner bot seine ganze, bedeutende
Ueberredungskunsl und Herzens»arme auf, um den alten Mann davon zu überzeugen
, daß er das Opfer eines Ulkes geworden sei, und ihn davon abzubringen,
weiterhin die Gaslhäuser aufzusuchen. Umsonst! Herr Merbeller konnte sich
unsere Stellungnahme zuletzt nur dadurch erklären, „daß böse Geister uns
beeinflussen, die Dinge zu sehen, wie sie nicht sind". Herr Merbeller ist der
Gründer und Leiter des städtischen Museums von Prachatitz. Er besitzt kunst-
his*orische Kenntnisse und ist ein Mann \on Bildung und Manieren. Sein
Wesen isl vornehm, gütig und würdig. Aber wie die Sprache aufs Okkulte
kommt, wird er ein anderer; da glaubt er, daß Geister da waren, weil er beim
^ Heimkommen zwei Holzfiguren in seinem unversperrten Vorzimmer verschoben
vorfindet und meint, daß nur ein Geist ihm jenen tschechischen Brief geschrieben
haben konnte, der vor seiner Türe niedergelegt wurde, als wir gerade bei
ihm waren, und der einen Zeitungsausschnitt mit der Ankündigung eines spiritistischen
Buches enthielt, „denn die Pracliatitzer wüßten doch alle, daß er
nicht tschechisch könne!' Herr Merbeller macht den Eindruck, als litte er an
einer monoid eis tischen Wahnbefangenheit okkulten Inhalts. Innere Verein-
bamung seit dem Tode seiner Frau und dem Fortziehen seiner vier Kinder,
dürfte dazu beigetragen haben. Wir möchten die Gelegenheit nicht vorbeigehen
lassen, ohne Herrn Merbeller, der uns in Prachatitz mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit
empfangen hat, unseren Dank und unsere Sympathie auszudrücken.
A\ ie gerne hätten wir ihm doch geholfen, seinen Lebensabend würdiger zu gestalten
!
Zuletzt suchten wir den Bürgermeister von Prachatitz, Herrn Pechtl, auf
berichteten ihm unsere Erlebnisse und baten ihn im Interesse der Parapsychologie
, durch einen Erlaß an alle Wirte dahin zu wirken, daß der Unfug}
ein Ende nehme, was auch im Interesse der Stadl sei, der ein Skandal drohe,
falls ein sensationslüsterner Journalist von der Angelegenheit Wind bekäme
und sich ihrer bemächtigte. Der Bürgermeister ging auf unsere Anregungen
ein, erwiderte freundlich, daß man sich in dieser Richtung schon viel Mühe
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