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Wassilko-Serecki: Die angeblichen Phänomene Rudolf Merbellers. 21
gegeben habe, und sagte: „Die ganze Stadt weiß, daß alles Unfug ist, nur Merbeller
ist davon nicht zu überzeugen." Dann erzählte er vom Beginn des
,,Spukes". Ihm sei bekannt, daß eine Frauensperson, die im gleichen Hause
\m*o damals Merbeller gewohnt hat, die in seinem Buche eingangs erwähnten
Schüsse durch Zerknallen von mit Luft aufgeblasenen Papiersäcken hervorgebracht
habe. Diese Aufklärung ist besonders lehrreich, weil sich in dem betreffenden
Hause vorher erwiesenermaßen zwei Personen durch Erschießen
umgebracht haben, man also geneigt sein könnte, die berichteten Schüsse als
ortsgebundenen Spuk aufzufassen. Der Bürgermeister meint, daß Merbeller
durch Lektüre okkulter Bücher, deren Inhalt er den Leuten erzählt hat, die
deshalb in ihm ein geeignetes Objekt für ihre Späße sahen, in die ganze Sache
hinein gekommen sei. Vielleicht hat Merbeller auch über Spuk in Selbstin
ör der häusern gesprochen, was von seiner geistreichen Umgebung in die Praxis
umgesetzt wurde.
Während der letzten Tage ereignete sich nichts mehr, und so verließen wir
die Stadt, in der selbst Kinder auf der Gasse ,,Lulli" und „Lulliane" rufen,
in der \nnahme, daß die \n»elegenheit erledig! und unsere Aufgabe erfüllt
sei. Neuere Nachrichten besagen jedoch, daß die „Phänomene" in Prachatit/
ihren Fortgang nehmen. Fremde Besucher kommen zur Beobachtung und es
entspinnen sich Diskussionen und Korrespondenzen über die mögliche Echtheit
der Erscheinungen auf Grund flüchtiger Eindrücke, die werllos sind.
Wir haben zwar keinen Taschenspieler gebraucht, um hinler die Wahrheit zu
kommen, aber in kürzet ei Zeil und allein wäre uns das unmöglich gewesein.
(Wir saßen einander z.B. immer gegenüber, um den ganzen Raum zu übersehen
.) Auch denkt ein anständiger Mensch nicht gleich an die Möglichkeil,
daß fast alle \nwesenden, und nicht nur jugendliche Elemente, ,.spuken",
haben wir doch selbst mehrere Stadien der inneren Einstellung durchgemacht.
Allerdings sollte man meinen, daß ohnehin niemand ernst nimmt, was in
Praehalitz geschieht. Das ist aber nicht der Fall und deshalb bedeutet
das Ganze eine Gefahr für die Paraosychologie. Um ihr zu begegnen, veröffenl-
lichen wir unter Nennung \on Namen unser Material über dfesen negativen,
aber psychologisch interessanten Fall mit solcher Ausführlichkeit und trol/-
dem uns Herr Merbeller leid tul, denn in der Wissenschaft geht die Feststellung
der Wahrheit auch der Schonung eines noch so bedauernswerten Einzelnen vor.
Das Ergebnis unserer zehntägigen Untersuchung ist, daß ausnahmslos alles,
was wir in Praehalitz gesehen haben, mehr oder weniger plumpe Täuschung
war. Das Berichtete besaß keine Vehnlichkeit mit echten Phänomenen. Ein Gemisch
\on echt und falsch kommt in diesem Falle auch nicht in Betracht.
Wenn wir mit Herrn Merbeller ollein waren, haben wir nicht das Geringste
erlebt, trotzdem wir fünfmal stundenlang in seiner Wohnung und einmal in
meinem Zimmer geduldig gewartet und auch Tischsitz ungen mit ihm versucht
haben. Ob der Ulk jemals einen echten Kern besaß, läßt sich heute nicht mehr
feststellen. Möglicherweise waren die ersten Klopftöne nach dem Tode der
Frau Merbeller tatsächlich medial. Merbellers Buch „Meine Einblicke in die
Jenseitswelt" ist in Anbetracht seiner Kritiklosigkeit wertlos. Einzigartig dürfte
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