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v. Sehr enck-Notzing: Die Entwicklung des Okkultismus zur Parapsychologie. 29
stischen oder spiritistischen Hypothese geworden, ohne deswegen ein Anhänger
der Palingenesie zu sein. Alles Fernsehen erklärt du Pre 1 im Anschluß an
Schopenhauer aus der Idealität von Zeit und Raum, sowie aus der Notwendigkeit
alles Geschehens.
Durch astronomische und philosophische Studien, also auf dein Wege des
reinen Denkens, gelangte unser Philosoph zu seinem Arbeitsgebiet2). Tiefes
metaphysisches Bedürfnis, hohe dichterische Phantasie, verknüpft mit einer
geistvollen, leichtverständlichen Ausdrucks weise, sind vorherrschende Merkmale
dieses Gelehrten. So ist es kein Wunder, daß seine tiefe Abneigung gegen
den wissenschaftlichen „Exaktheitsfanatismus", sowie seine ungenügende Beobachtungsgabe
mitunter Ungenauigkeiten in den Berichten und oberflächliche,
mißverständliche Behandlung wissenschaftlicher Ergebnisse zur Folge hatten.
Das zeigt sich besonders in einer mangelhaften Kritik des Tatsachenmaterials,
aus welchem weitgehende Schlüsse zugunsten seines philosophischen, von ihm
dogmatisch festgehaltenen Systems gezogen werden. Verfasser hatte in seinem
mehrjährigen, regen, persönlichen Verkehr mit dem Münchner Philosophen, besonders
in den Jahren i885 bis 1889, vielfach Gelegenheit, die Unzulänglichkeit
der du Preischen Feststellungsmethode und die Unrichtigkeil seiner
Prämissen kenrenzulernen, Lrolz der großen Wertschätzung dieses als Mensch
und Forscher hochstehenden Mannes.
Obwohl ich du Pre 1 zahlreiche wertvolle Anregungen verdanke und mich
sogar in gewissem Sinne als seinen Schüler betrachten konnte, sah ich mich
schließlich doch im Interesse einer strengeren wissenschaftlichen Arbeitsweise
veranlaßt, mich von ihm und seinen Anhängern völlig loszusagen und meinen
eigenen Weg zu gehen.
Denn sensationelle Journalistik, Dilettantismus und kritikloser Offenbarungsspiritismus
sind die unvermeidlichen Folgeerscheinungen übereilter
Propagierung unreifer, pseudowissenschaftlicher Ergebnisse, wobei ehrliches
Wollen und ernstes Streben nicht den Mangel gründlicher naturwissenschaftlicher
Vorbildung zu ersetzen vermag.
Trotzdem können diese negativen Seiten die große Bedeutung des d u P r e 1-
schen Lebenswerkes und den gewaltigen Einfluß, welchen dieser seltene Mannt
auf die Mitwelt ausgeübt hat, nicht verkleinern. Denn in ihm vereinigten sich
schöpferische Intuition mit logischer Schärfe der Gedanken, dichterische Phantasie
mit glänzender Dialektik. Tiefe des Gemüts mit kindlicher Reinheit des
Herzens, sowie strenge Gewissenhaftigkeit mit ungeheurem Fleiß. Jn seiner
ganzen philosophischen Entwicklung, von der Bearbeitung astronomischer Probleme
an bis zur späteren Aufstellung stark anfechtbarer spiritistischer Theorien
, blieb du Prel sich stets selbst treu in dem schroffen Kampf um die
Wahr heil und gegen die Tradition.
Auch wer in vielen Punkten nicht mit der Lehre des xMünchner Philosophen
einverstanden ist, wird dennoch unbedenkklich den nachfolgenden, dem
Vedantasystem entlehnten Grundgedanken derselben beistimmen können, näm-
l). Dr. R. Wedel: Du Prel und seine Philosophie. Uebersinnliche Welt, 1898.
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