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Iiiig: Beitrag zur Erforschung postmortaler Spuk Vorgänge.
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einer unbekannten Macht Halt geboten würde. Er geriet in einen merkwürdigen
Zustand, der kein Schlafen, aber auch kein Wachen war. In diesem Zustand
erschien ihm eine weibliche Gestalt in weißer Kleidung, eine blaue Blume
auf der Brust, in der er sofort seine Tante erkannte. Es erfolgte nun eine
Aussprache zwischen ihm und ihr, aus der er erfuhr, daß er seine Tantte im
Leben niemals wieder sehen werde. Als sie sich wieder entfernt hatte, und er
wieder zu sich gekommen war, fragte ihn sein Kamerad, ob er denn auf einmal
geistesabwesend gewesen sei, weil er so wirres Zeug herausgesprochen habe?
Er konnte ihm aber keinen Bescheid geben, weil er selber nicht wußte, was mit
ihm vorgegangen war. Nach einigen Tagen erhielt er einen Brief, der ihm den
ungefähr 21/2 Stunden vor diesem Erlebnis eingetretenen Tod seiner Tante
meldete, die in ihren letzten Lebenstagen wiederholt den Wunsch geäußert
hatte, ihren Neffen noch einmal sehen zu dürfen. Was sich in dem Zelte in
so sonderbarer Weise abgespielt hatte, war also Wahrheit und Wirklichkeit
gewesen. Wenn es sich im Schlafe abgespielt hätte, dann hätte
man es einen Wahrtraum genannt und mit Telepathie erklärt, und der Fall
wäre erledigt gewesen. So aber, wie er sich hier abspielte, erhebt sich die gewichtige
Frage: „Wer oder was war die Ursache der Unterbrechung der Unterhaltung
mit dem Kameraden? Wer hat hier die Rolle des Telephonfräuleins
gespiell, das eine Ortsverbindung abstellt, wenn Fernverbindung kommt? War
das der Angerufene oder war es die Anrufende gewesen?" Der natürliche
Menschenverstand sagt: „Der Angerufene kann es nicht gewesen sein, denn der
wußte ja noch gar nicht, was geschehen war, dem sollte es ja erst mitgeteilt
werden!'* Und selbst wenn er es gewesen wäre, dann hätte doch erst irgjend
etwas an ihn herankommen müssen, das ihm den Impuls dazu gab oder — da
es nicht mit wachbewußter Absicht geschah — der sein Unterbewußtsein veranlaß
te und befähigte, sein Wachbewußtsein für die Dauer der Uebertragung
der unbewußt für ihn anlangenden Depesche abzustellen und den Verkehr
sozusagen auf eine andere, auf seine^ unterbewußte Leitung oder gar auf den
drahtlosen Dienst umzustellen. Man mag sich diesen Fall überlegen wie man
will, immer wieder kommt man darauf hinaus: Das Nächstliegende und Gegebene
ist die Annahme, daß von der Senderseite aus der Aufnahmeapparat des
Empfängers von der wachbewußten auf die unterbewußte Leitung umgestellt
wurde. Wenn wir aber eine solche Umschallung unserer seelischen Apparatur
auf fremde psychische Einflüsse und eine zeitweilige Benutzung durch diese
prinzipiell zugeben müssen, dann werden wir auch in solchen Spukfällen, in
denen der animislische Charakter gleichsam auf der Rand zu liegen scheint,
das Wort „animistisch" doch immer nur mit einem großem Vorbehalt aussprechen
dürfen. J. Maxwell, der sehr scharfe und vorsichtige Beobachter
medialer Personifikation, sagt: „Soll man sich ein Kollektivbewußtsein, eine
Illusion oder einen Geist darunter vorstellen? Ich meinerseits halte alles für
möglich und nichts für sicher. Es können zweite Persönlichkeiten sein; aber
in den besonders deutlichen Fällen zeigen sie eigenartige Züge und scheinen,
im Besitz von Kenntnissen zu sein, die der normalen Persönlichkeit unzugänglich
sind. Mit dieser können sie gleichzeitig vorhanden sein, ohne daß auf
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