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Zeitschrift für Parapsychologie. 2. Heft. (Februar 1932.)
Ahnung. Die Uebermittlung war so sicher, daß z. B. der Vater, als er
am andern Vormittag die Depesche mit der Todesnachricht erhielt, gar nicht mehr
überrascht war. Doch das alles sei nur nebenbei erwähnt, nicht nur, weil es
in äußerst instruktiver Weise zeigt, wie lebhafte Wünsche un,d von starken
Gefühlen getragene Gedanken in die Ferne wirken und in irgendein im Schlafe
zutage liegendes Unterbewußtsein eintreten können, sondern vor allem auch deshalb
, weil es einen klaren Einblick in die Seelenverfassung der Sterbenden und
in die bei ihrem Hinscheiden in Erscheinung tretenden Strebungen ihres Innersten
gewährt. Denn — die Hauptsache kommt noch — die mit dem Tode der
jungen Frau in Verbindung stehenden Phänomene waren mit diesen Vorgängen
in ihrer Sterbenacht noch nicht abgeschlossen. Am 26. November, also T7 Tage
nach dem Todesfall, wurde das nunmehr 21/2 Monate alte Kind der Verstorbenen
von seiner Großmutter nach Norddeutschland gebracht und von den Großeltern
in Pflege genommen. Einen Tag hernach vernahm der allein
in einem Zimmer schlafende Großvater allnächtlich undefinierbare
Geräusche, die er zuvor nie in dem Zimmer
gehört hatte. Sie waren nicht gerade aufregend und schreckhaft, aber doch
unangenehm. Am auffallendsten waren die K r a c h 1 a u l e. Da diese merkwürdigen
Geräusche nicht mehr aufhörten, sprach er mit seiner Frau und
Tochter darüber und erklärte, daß er in diesem Zimmer nimmer länger schlafen
möchte und sie bitte, ihm ein andres Schlafzimmer einzurichten. Hier mag eingeschaltet
sein, daß in einem in diesem Zimmer stehenden Schrank die Kleider
der Verstorbenen aufbewahrt waren, die später anderswohin gebracht wurden.
Am Schluß des November war das neue Zimmer für ihn eingerichtet, aber er
beschloß, versuchsweise noch eine Nacht in seinem bisherigen Zimmer zu schlafen
. In dieser Nacht wachte er früh um 3 U h r auf und war sofort vollkommen
klar und ohne ein unangenehmes oder aufgeregtes Gefühl. Plötzlich war es
ihm, als müßte er in die Höhe sehen, und als er diesem Impuls folgte, sah
er vor sich einen grauen Nebel stehen. Um sich selbst zu erproben, ob
er nicht das Opfer eines Sinnestrugs sei, öffnete und schloß er die Augen mehrmals
in der \nnahme, daß das Bild weichen müsse, wenn es auf einer Täuschung
beruhe. Aber der Nebel hielt stand. Er hatte den Umriß einer
menschlichen Gestalt, die aber von der Körper mitte an
a b^v ärts in einen formlosen Nebel zerfloß. Ganz charakteristisch
war der Ilalsansatz mit den etwas geraden
Schultern, die denen seiner Tochter durchaus entsprachen
. Die Augen erschienen nur als etwas hellere Oeffnungen oder Punkte
angedeutet. Während er die Erscheinung betrachtete, stand sie vollkommen
stille. Er war überzeugt, das Phantom seiner verstorbenen Tochter vor sich zu
haben und glaubte plötzlich auch den Grund ihres Erscheinens zu wissen. Daher
sagte er, ohne das Phantom anzusehen, ruhig vor sich hin: ,,Sei ruhig,
meine E., ich werde getreulich für dein Kind sorgen und es immer lieb
haben1). Als er hierauf seine Augen wieder erhob, war die Nebelgestalt ver-
i) In diesem Punkt erinnert der Fall sehr lebhaft an eine Mitteilung des
Dr. Fuchsberger in Ellwangen, der in dem von Justinus Kerner herausgegebenen
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