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v.Schrenck-Notzing: Die Entwicklung des Okkultismus zur Parapsychologie. 79
Allerdings war ein zweiter Forseher, der sich auf dem Wege seiner vitalistischen
Philosophie bereits den Problemen des Okkultismus näherte, in jener
Zeit noch nicht so hervorgetreten wie später. Es handelt sich um den Biologen
Hans Driesch, heute o. Professor der Philosophie an der Universität in
Leipzig.
Schon in der ersten Auflage seiner „Philosophie des Organischen" (kjoj,
Engelmann Leipzig, 2. vermehrte und verbesserte Auflage 1921) kam er in der
Behandlung der Überpersönlichkeitsfragen auf die philosophische Wichtigkeit
des sogenannten Okkultismus zu sprechen, in dessen Phänomenen er Tatsächliches
vermutete. In seiner 1917 erschienenen „Wirklichkeitslehre" geht er bereits
bei der Behandlung der Unsterblichkeitsfrage einen Schritt" weiter und
indem er auf die Möglichkeit der Erweiterung des Wissens durch okkulte Forschungen
aufmerksam macht, schreibt er: „Es ist lächerlich, diese Bestrebungen
zu verspotten, wie es leider unter Deutschen gerade noch so viel geschieht; wer
sich unterfängt zu sagen, diese Dinge könne es gar nicht geben, der hat darauf
verzichtet, im Kreise Ernsthafter gehört zu werden/* Driesch bezieht sich hierbei
besonders auf die Forschungen der British Society for Psychical Research, die
sich bekanntlich den psychischen Phänomenen der Parapsychologie gegenüber
bejahend, dem physikalischen Mediumismus gegenüber aber ablehnend verhält.
Seine Stellungnahme auch zu den Erscheinungen der Paraphysik wurde allmählich
positiver, wohl mit durch das Studium der inzwischen publizierten
Literatur, bis ihm eine Sitzung mit dem Medium Willy Schneider am 20 Februar
1922 im Laboratorium des Verfassers zum erstenmal Gelegenheit gab,
Erscheinungen der Teleplastie und Telekinese selbst zu beobachten.
Sein darüber abgegebener Bericht enthält am Schluß die Bemerkung, daß
er keinen Grund sehe, an der Objektivität einerseits und der Echtheit der Phänomene
anderseits zu zweifeln.
Während der Folgezeit setzte sich Driesch mit aller Entschiedenheit für
dieses Gebiet ein und schon in der zweiten Auflage seiner „Ordnungslehre'4
(1926, Reinicke, Leipzig) ließ unser Gelehrter einen besonderen \bschnitt über
die Parapsychologie und Parapsychophysik erscheinen. Ebenso enthalten seine
1926 herausgegebenen „Grundprobleme der Psychologie" eine ausfülirliche
Erörterung dieser Fragen, liier erklärt Driesch auf Grund eigener Erfahrung
durchaus überzeugt zu sein, daß es mannigfache parapsychologische Tatsachen
gibt.
Dem Spiritismus steht der Leipziger Philosoph nicht unbedingt ablehnend
gegenüber, wenn auch bis jetzt kein zuverlässiges Bewoismaterial für diese
Theorie vorliege. Driesch sagt darüber u. a.: „Ein einziger, ganz sicherer Fall
der Bestätigung eines Verstorbenen würde für die Menschen mehr bedeuten
als alles, was bisher die sogenannte Kultur einschließlich der Philosophie für
sie bedeutet hat."
So zeigen auch die philosophischen Schriften von Driesch die allmähliche
Entwicklung zu einer entschieden positiven Stellungnahme gegenüber dem Problemgebiet
des Okkultismus.
Mit dem Eintritt dieses Gelehrten, der heute zu den ersten Philosophen
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