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Zeitschrift für Parapsychologie. 2. Heft. (Februar 1932.)
liehen Auswüchsen des Okkultismus beschäftigt, verdient es sorgfältiges Studium
durch jeden Forscher, der parapsychologisch zu experimentieren beabsichtigt.
Sehr treffend charakterisiert Gustav Hartlaub (Zur Kritik der Geheimwissenschaft
„Der Leuchter", Darmstadt 1920, Seite 232) den Dessoirschen
Standpunkt. Er sagt: „Der Autor ist eifrig bestrebt, Schwindel und Selbsttäuschung
zu entlarven, Fehlerquellen aufzudecken und die wirklichen Erscheinungen
auf bekannte, natürliche Ursachen zurückzuführen. Er muß aber,
{genau besehen, bei Abschluß fast jeder Untersuchung gestehen, daß ein vorläufiger
letzthin unerklärlicher Rest übrig bleibt und — wie merkwürdig und
wie bezeichnend — in der verlegenen und vertuschenden Behandlung des
,Restes' schlägt die sonst so »wissenschaftliche*, objektive Behandlungsweise
in unwissenschaftliche Befangenheit und Blindheit um, so daß spätere Generationen
darüber lächeln können."
Diese einseitige Befangenheit zeigt sich in der Schilderung ^lbstbeobachteter
Phänomene. Wichtige Kontrollmaßregeln sind nicht berichtet, dagegen ist das
negative Moment in dem betreffenden Versuch besonders stark betont*. Die
Phantasie tut dann noch ein übriges. So wird z. B. in .einer Sitzung bei
Eusapia Paladino, die Verfasser leitete, aus einem schwarzen Hervorwuchs ein
„Stab" oder ein „Haken", obwohl die sofortige, nach dieser Wahrnehmung
vorgenommene körperliche Untersuchung nichts derartiges zutage förderte1).
Die negative doktrinäre Einstellung hat einen gewissen Mangel an Aufrichtigkeil
und eine gewisse Oberflächlichkeit zur Folge. In seinem Aufsatz
„Leben die Toten?" äußert sich Dessoir wie folgt: „Ich unterstelle den Medien
betrügerische Neigungen, ohne einen bestimmten Anhalt dafür zu haben." So
supponiert er z. B. dem Medium Eva G. „Regurgitation", obwohl alle Forscher,
die mit ihr längere Zeit experimentierten, diese Hypothese ablehnen.
Die Zitate Dessoirs sind tendenziös zugeschnitten. Das wirklich positive
Material wird nach Möglichkeit ignoriert und die vermeintlichen negativen
Momente sind übermäßig unterstrichen sowie außer ihrem Zusammenhang mitgeteilt
. So erscheint dieser Gegner dem Kritiker, der seine Tätigkeit auf parapsychologischem
pebiet seit Jahrzehnten verfolgt, als der „Geist, deT stets verneint
". Seine Befangenheit in Vorurteilen geht auch aus folgender von Tischner
(geschiente des Okkultismus, S. 322) erwähnten Bemerkung hervor: „Die Tatsache
einer materialisierten Hand sei ihm unausdenkbar und er werde sich
dagegen sträuben, solange er zu denken vermöge." Dessoir hat seine vor Jahrzehnten
vertretene Ueberzeugung, wonach der Okkultismus einen Fortschrittsfaktor
für die Menschheit darstelle, heute völlig aufgegeben. Sein ganzes
wissenschaftliches Ansehen ist mit der Bekämpfung des Okkultismus ohne objektive
Prüfung des zugrunde gelegten Versuchsmaterials verknüpft.
Der Standpunkt des geheimen Sanitütsrats Dr. Moll ist demjenigen Dessoirs
sehr ähnlich, nur mit dem Unterschied, daß Moll ungleich ehrlicher zu
Werke geht und eine wesentlich schärfere, ja gröbere Tonart anzuschlagen
l) Zitiert aus Schrenck-Notzing, „Die neuere Okkultismusforschung im Lichte
der Gegner* in „Materialisationsexperimente mit M. Franek Kluski", Mutze,
Leipzig 1922.
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