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Zeitschrift für Parapsychoiogie. 2. Heft. (Februar 1932.)
nicht immer streng absondern lassen.1) Da es sich aber um Spontanerlebnisse
handelt, muß ihre Analyse gegenüber dem Einwand eines zufälligen Geschehens
zeigen, daß sie den Beweis irrationaler Herkunft in sich selber
tragen.
Nach Driesch unterscheidet nämlich die parapsychische Tatsachenforschung
drei dem Beweisgrade nach verschiedene Beobachtungen: 1. spontane
, zumeist nur durch ihre Häufung und Bindung an dieselbe Person wissenschaftlich
überzeugend; 2. erwartete, zwar nicht experimentell angelegt,
aber doch experimentelle Momente enthaltend und den Uebergang bildend zu
3. dem Experiment. Meine eigenen sehr zahlreichen und deshalb das Gesetz
der großen Zahlen zulassenden Beobachtungen sind inhaltlich gewiß nicht
sensationell, vermögen aber recht gut die Möglichkeit sich zwischen Arzt und
Patient abspielender parapsychischer Phänomene zu erläutern. Alle drei Spontanfälle
enthalten nun durch einen begleitenden Erwartungsaffekt
zugleich den Charakter von erwarteten Beobachtungen. Es ist das ein starkes,
aus dem Unbewußten stammendes, an der Uebergangsgrenze vom Es zum Ich
sich auswirkendes, psychisches Spannungsgefühl, das sich, wie wohl Gefühle
überhaupt, einer wissenschaftlichen Untersuchung entzieht, das aber durch sein
bloßes Dasein oft einen sich anbahnenden parapsychischen Prozeß ankündigt.
Dieser Begleitaffekt, den ich als Parapsychotonus beschrieben habe, ist
auch von anderen gefühlt, aber wohl noch nicht als parapsychologisches Beweismittel
erkenntniskritiseh genügend gewürdigt worden. Bedeutungsvoll wird
er dann, wenn ein telepathischer (oder Hellseh-)Akt ganz freisteigend, also
ohne jeden assoziativen oder milieubedingten Anlaß, sich vorbereitet. Durch seine
Eindringlichkeit fordert er den Erlebenden auf, sich schari auf den Fall einzustellen
, ihn rechtzeitig schriftlich festzulegen, ihm zuweilen eine experimentelle
Wendung zu geoen. Zur Demonstration diene:
F a 11 1 (der zugleich zeigt, daß für telepathische Rapporte die allergrößten
Distanzen — hier Paris-Berlin —, also irgendwelche physikalische Vorgänge
wie etwa die fragwürdigen Gehirnstrahlen Cazzamallis,
kaum eine Rolle spielen).
Am 6. Mai 1930 in der Pariser Jahreskunstausstellung im Grand Palais.
Plötzlich, 3.50 nachm., sind meine Gedanken unvermittelt auf eine Berliner
Dame, die 71 jährige Frau W., gerichtet, ohne jede bewußte oder erklärbar
unterbewußte Ideen Verbindung; vor allem keine persönliche, direkte. Ich habe
diese Dame, die ich ganz selten behandle, etwa nur alle 10 Jahre, zuletzt vor
I1/4 Jahr, und auch nur einmal wegen einer leichten Magenstörung, untersucht
und bald darauf gehört, daß sie wieder gesund sei; auch vor meiner
Abreise nach Paris habe ich nicht an sie gedacht. Aber auch keine örtliche
Assoziation ist nachweisbar, etwa durch eine Aehnlichkeit der Frau W. mit
jemand aus dem gerade anwesenden Publikum oder mit einem der ausgestellten
Porträtbilder (ich sehe genau nach), kh denke sehr lebhaft, beinahe
erregt: Frau W. istsehrschwer krank, ich fühle fast visionär
, die alte Frau denkt in ihrer Not unaufhörlich und
gerade jetzt an mich, ihren Arzt. Dieses emotive Spannungsgefühl
zwingt mir nahezu die Gewißheit eines metapsychischen Geschehens
* auf, dem ich unbedingt nachgehen müsse. Deshalb mache ich mir sofort
Notizen über Ort, Zeit, Sachverhalt und führe am Abend die Skizze länger
aus. Am nächsten Tage erzähle ich den Vorfall, der Beglaubigung wegen,
einer Pariser Bekannten und frage gleichzeitig brieflich, ohne jede Beein-
' flussung, bei dem Gatten von Frau W. an, ob zu. derselben Zeit (6. Mai,
3.50 nachm.), wo ich in Paris plötzlich an seine Familie in Berlin habe denken
müssen, jemand bei ihm zu Hause (es wohnt da auch noch ein Sohn) an
mich gedacht habe.
Aus Herrn W.s Antwort, datiert: Berlin, 9. Mai:
„Wir glauben auch, daß bei der Sache Telepathie eine Rolle gespielt
haben mag." Er war mit seiner Frau am 6. Mai um 3.50 Uhr zu Hause,
Sie war schon seit ein paar Tagen krank und hatte an mich „stramnt
i) Sie sind ausführlicher, aber getrennt und nicht unter dem Gesichtswinkel
der ärztlichen Praxis in Fachzeitschriften veröffentlicht. Revue metapsych., 1930,3
und Zeitschr. f. metaps. Forschung, 1930, 9 u. 10.
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