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Kleine Mitteilungen.

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gedacht". Aber erst „an dem oben erwähnten Termin" (Herr W. meint:
6. Mai, 3,50 Uhr nachm.) hat seine Frau, da sich die Krankheit an diesem
Tage verschlimmert hatte, ausdrücklich geäußert: „Wenn's nicht besser
wird, lassen wir doch den Dr. B. kommen." Nach den der Antwort beigefügten
Symptomen hat es sich wohl um ein von der Nase ausgehendes
Gesichtserysipel, also doch um keine ganz belanglose Krankheit gehandelt
, zumal bei einer Siebzigjährigen, die deshalb auch selbst — und grade
am 6. Mai — die Notwendigkeit ärztlicher Hilfe erkannte.

Ich glaube, daß das Gesamtgefüge des Falles nicht nur wegen des Inhalts
und der auf beiden Seiten übereinstimmenden Zeit, sondern vor allem
wegen des bei mir auftretenden starken Erwartungsaffekts nur eine telepathische
Deutung zuläßt.

Die Fälle 2 und 3 sind wegen des Problems eines bis zur telepathischen
Beeinflussung und sogar bis zu einem eventuellen Fernzwang gesteigerten
Rapportes beachtenswert. Auf das Fernzwangproblem wird auch in der Hypnoseliteratur
bei der Diskussion der sogenannten Fernhypnose hingewiesen. Daß
es sich übrigens im Falle 2 um einen früher von mir wiederholt hypnotisierten
Patienten handelt, spielt keine durch die Analyse nachweisbare Rolle.

Fall 2. Vom April bis September 1928 behandelte ich erfolgreich
mit Wachsuggestion und mehrfacher Hypnose den Justizbeamten Herrn B.
wegen bedrohlicher melancholischer Angstzustände, die ihn fast ein Jahr lang
dienstunfähig gemacht hatten. Zuletzt sah ich ihn im Mai 1929 ganz geheilt
und dann nicht wieder, habe auch kaum mehr an ihn gedacht. Ueber
ein Jahr später (ich berichte nach meinem Tagebuch), am 19. Juni 1930,
vormittags: Freisteigend, d. h. ohne psychische Konstellation (Ziehen) der
Gedanke an B.: Wie mag es ihm jetzt gehen? Kein Rückfall?
Ich habe viel \rbeit mit ihm gehabt, ihm viele Abende
geopfert usw. Dabei starker Psychotonus, der durch ein sicheres Wissen
um B.s jetziges Befinden abreagiert werden will. Ich möchte ihm deshalb
sofort schreiben und stelle seine Adresse fest. (B. wohnt in einer Nachbarstadt
.) Dabei erkenne ich mein ganzes Denken und Handeln als gezwungen
und verstiegen, meinem persönlichen und den ärztlichen Gepflogenheiten
nicht ganz entsprechend, und nur auf Grund dieser Ueberlegung schreibe ich
schließlich doch nicht. Es bleibt aber eine gewisse Unruhe zurück, diesmal
aber ohne das bewußte Gefühl einer telepathischen Verbundenheit (im
Gegensatz zu dem Pariser Fall). 20. Juni 1930. Die Mittagspost bringt
eine Postkarte von B. Poststempel: Bad Kudowa, 19. Juni, nachm.
6—7 Uhr. Inhalt: Sehr gutes Befinden, sogar Avancement und Gehaltszulage
. (Während der Krankheit hatte B. Pensionierung zu befürchten.)
Meine unsuggest»ve Rückfrage nach den näheren Umständen beim Zustandekommen
seiner Karte ergab: B. hatte sie am 19. Juni nachm. zwischen 3 und
4 Uhr geschrieben (vormittags hatte ich seiner gedacht), und zwar nicht
infolge eines plötzlichen Entschlusses, sondern er hatte scnon drei Tage vorher
den Plan dazu gefaßt. (Also ähnlich, wie Frau W. seit ein paar Tagen
an mich „stramm gedacht" hatte. Diese anhaltende Einstellung auf
jemand, die wir auch bei Fall 3 wiederfinden werden, hat oft für die Genese
der Spontan-Telepathie ihre Bedeutung.)

Demnach geht anscheinend die telepathische Initiative von B. aus, aber auch
die umgekehrte Richtung ist ebenso denkbar wie eine wechselseitige Beeinflussung
; bei dieser wäre zuerst ich durch B. veranlaßt worden, an ihn zu denken,
während er, durch mich beeinflußt, über bloße Höflichkeitsfloskeln hinaus,
meine unausgesprochenen Fragen genau beantwortete.

Im Falle 3 wäre mit dem Nachweis eines telepathischen Fernzwangs
zugleich auch die Richtung des Prozesses gegeben. Am
21. Februar 1929 werde ich im Kino durch die überraschend große Aehn-
lichkeit der Hauptdarstellerin mit einer Patientin, Fräulein H. F., also durch
einen sonst banalen Sachverhalt, so stark beeindruckt, daß ich zu einem
parapsychologischen Versuch mich aufgefordert fühle. Also wieder der Erwartungsaffekt
, aber das Ganze nicht freisteigend, sondern assoziativ angeregt
. Dabei folgende Gedankenreihe: Wie lange habe ich H. F.
nicht gesehen? Sicher sehr lange nicht. (Laut Journal seit


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