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Zeitschrift für Parapsychologie. 2. Heft. (Februar 1932.)
fast 7 Monaten; sie kommt überhaupt sehr selten, meist oft nach mehr als
einem Jahre.) Sie wird bestimmt sehr bald kommen! Das
soll ein Experiment sein! Ein positives Resultat soll
nach der mehr oder weniger großen Reihe von Tagen bis
zu ihrem Erscheinen bei mir gemessen werden.
Trotzdem H. F. bis Ende Februar nicht kommt, auch am 1. März nicht,
bleibe ich dauernd auf ihr Erscheinen mit einer gewissen Erregung eingestellt
. Aber erst am 10. Tage, am 2. März vormittags, gebe ich das
Experiment als mißlungen auf und will nicht mehr daran denken. Aber trotz
diesem Verdrängungsversuche setzt sich das H. F.-Thema immer wieder
durch, bis am selben 2. März in der Nachmittags-Sprechstunde
— endlich! — H. F. erscheint wegen ihr früher unbekannter heftiger
Schulterschmerzen, links, seit gestern nachmittag; aber erst heute
vormittag (also gerade, als ich den Versuch a/ufgeben wollte) habe sie sich
zu der Nachmittagskonsultation entschlossen. Die Untersuchung ergibt kei*
nen objektiven Befund an Schultergelenk, Sehnen, Muskeln, Herz, Lunge,
Pleura. Ich verheimliche mit Absicht diesen negativen Befund, verschreibe
eine indifferente Einreibung und bestelle sie — morgen ist Sonntag — für
Montag wieder. Ich buche dann: Leidlich positives Resultat; telepathischer
Rapport durch 10 Tage lang fortgesetzte Fernbeeinflussung, eventuell im
Zusammenhang mit psychotonischer Vorausschau. — H. F. kommt am Montag
nicht wieder, auch später nicht. Nach Wochen höre ich gelegentlich
von ihrer Mutter, die Schmerzen seien gleich nach der Konsultation ohne
jede Behandlung endgültig verschwunden. — Zusammenfassend hätten
wir hier einen kaum zufälligen, sondern einen metapsychischen Oesamtablauf
, beginnend mit meiner emotiven Erfassung der Situation im Kino und
endend mit dem Erscheinen von H. F. bei mir auf Grund einer tagelangen
Fernbeeinflussung, mit finalen subjektiven Krankheitsbeschwerden, die nach
Erfüllung ihres metapsychischen Zwecks — der Konsultation — sofort spontan
verschwinden. H. F. ist keine Hysterika; die ruhige Art bei der Vorbringung
ihrer Klagen erinnerte fast an die Erledigung eines posthypnotischen
Auftrags: hier wie dort der Versuch, unterbewußte (hypnotische resp. ferntelepathische
) Suggestionen sich selbst und anderen zu rationalisieren, ohne
sich des erzwungenen Verhaltens bewußt zu sein. Einen ähnlichen Fall von
unmotiviertem plötzlichem Auftreten und Verschwinden von Krankheitsbeschwerden
— asthmatischen — und Herbeizitieren der betreffenden Dame hat
der Pariser Arzt O s t y, der das zugrundeliegende Hellsehexperiment selbst
veranlaßte, veröffentlicht. (Rev. metaps. 1926, 170—76.)
Berechtigen meine drei Fälle, die Möglichkeit parapsychischer Beziehungen
zwischen Arzt und Patient anzunehmen? Ganz gewiß, wenn man dabei nicht
eine spezifische, an den ärztlichen Beruf gebundene oder aus ihm sich entwickelnde
seelische Funktion behauptet, sondern die Fälle im Rahmen einer
„Parapsychologie des Alltags" beläßt, zu der'sie gehören. Denn sie
verschwinden bei ihrer relativen Seltenheit inmitten meines stattlichen analogen
nicht beruflichen Tagebuchmaterials. Geht man aber von einer
allgemeinen angeborenen potentionellen Anlage für derartige supranormale
piychische Fähigkeiten aus, so kann in jedem Beruf, nicht nur im ärztlichen,
wenn nur seine Ausübung einen geistig-seelischen Verkehr mit vielen Menschen
verlangt (Juristen, Theologen, Schulmänner haben hierzu bereits das Wort ergriffen
) sich gelegentlich ein parapsychischer Rapport auch mal beruflich auswirken
. Unter diese mystische Flagge gehören dann wohl zuweilen scheinbar
rein intellektuelle Werte, und wer weiß, ob nicht die neuerdings von führenden
Klinikern gefeierte „intuitive" Primavista-Diagnose irrationalen,
d. h. unter Umständen medialen Ursprungs ist. Es wäre aber verfehlt, auf diese
Möglichkeit etwa eine „mediale Diagnostik" aufzubauen. Der damit
durch kurpfuschende „Hellseher" getriebene Unfug ist bekannt genug; weniger,
daß auch Aerzte damit arbeiten. Aber diese haben wenigstens die Möglichkeit,
ihre Resultate mittels der klinischen Diagnostik zu kontrollieren. An einigen
interessanten derartigen Versuchen mit einer damals noch vorklinischen, inzwischen
approbierten Berliner Medizinerin habe ich mich vor einigen Jahren
beteiligt, ohne völlig von ihrer medialen Begabung überzeugt worden zu sein.
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